Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
hätte werden können, wenn sie einen anderen Lebensweg gewählt hätte.«
»Das werden wir niemals erfahren«, sagte er. »Sie erzählt hier allen Leuten, dass man ihre künstlerischen Erinnerungsalben benutzt habe, um ihr etwas anzuhängen. Von diesem Wattebausch hat sie mir nie erzählt.«
»Sie wissen bestimmt, dass Clymene eine Pferdenärrin ist«, sagte Diane. »Sie setzte nach ihrer Verurteilung Himmel und Hölle in Bewegung, um ihren Pferden ein gutes neues Zuhause zu verschaffen. Trotzdem haben wir kein einziges Erinnerungsalbum mit Bildern von ihren Pferden oder von ihr beim Reiten gefunden.«
Rivers schaute sie jetzt wieder einmal stirnrunzelnd an, als versuche er zu verstehen, was das mit den übrigen Indizien gegen sie zu tun haben könnte.
»Diese Alben waren für sie in Wirklichkeit nur Werkzeuge ihres Doppelspiels, die ihre Täuschungen und Machenschaften befördern sollten. Ihr Pferd und das Reiten lagen ihr tatsächlich am Herzen, deswegen hielt sie sie auch aus diesem Lügengebilde heraus.«
Er nickte und stand auf. »Ich sehe jetzt, was Sie meinen. Vielen Dank, dass Sie mir die Augen geöffnet haben.« Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie.
»Ich danke Ihnen, dass Sie mich angehört haben.« Diane wollte ihm eigentlich noch sagen, dass es ihr leidtue, spürte aber, dass ihn jedes weitere Wort in Verlegenheit bringen würde. Clymene hatte ihn umgarnt, ohne dass er es überhaupt bemerkt hatte. Diane war mehr als je davon überzeugt, dass Archer O’Riley nicht der einzige Mensch war, den Clymene umgebracht hatte. Sie war einfach zu gut in ihrem Job, um dies nur ein einziges Mal zu tun.
Rivers brachte sie noch zum Tor der Hochsicherheitsabteilung. Sie war froh, das Gefängnis endlich verlassen zu können, sie hatte nicht vor, in absehbarer Zeit zurückzukehren. Sie hatte mit der Menschenrechtsarbeit aufgehört, weil sie die vielen Massengräber einfach nicht mehr ertragen konnte. Gefängnisse waren für sie ebenfalls Massengräber – Massengräber für die Lebenden.
Kapitel 6
D iane stellte ihren Wagen auf dem Parkplatz vor dem RiverTrail-Naturkundemuseum ab. Das Gebäude mit seinen massiven Granitsteinen und seiner neugotischen Architektur des 19. Jahrhunderts, die es wie eine mittelalterliche Burg aussehen ließen, begeisterte sie immer wieder. An jedem normalen Tag hätte sie kurz angehalten, um die vielen Autos und Ausflugsbusse zu betrachten, die zeigten, dass das Museum gut besucht war. Heute war das anders.
Auf der Rückfahrt vom Gefängnis hatte Diane an einem kleinen Supermarkt angehalten, um sich ein kaltes Getränk zu kaufen. Da war ihr die Schlagzeile der Rosewooder Zeitung ins Auge gefallen:
SKANDAL IM RIVERTRAIL-MUSEUM
Prominentes Vorstandsmitglied verlangt die Entlassung der Stellvertretenden Direktorin
Direktorin Diane Fallon für keine Stellungnahme zu erreichen
Diane griff sich die Zeitung und begann, sie mitten im Laden zu lesen, ohne auf die anderen Kunden zu achten, die sich an ihr vorbeidrängen mussten, um zum Ausgang zu gelangen.
»Mistkerl«, murmelte sie leise vor sich hin, bezahlte die Zeitung an der Kasse und ging zu ihrem Wagen zurück. Beim Einsteigen schlug sie voller Wut die Autotür zu.
Diane betrat ihr Museum. Sie hatte die Zeitung zusammengerollt und trug sie jetzt wie eine kleine Keule. In der Eingangshalle hielten sich gerade keine Besucher auf, aber in dem dahinterliegenden Pleistozän-Saal fand eine Führung statt. Die Stimme des Führers, der japanischen Touristen etwas über Mammuts erzählte, war bis in die Lobby zu hören. Eine blonde junge Frau, die ein weißes Richard-III.-T-Shirt trug, saß am Informationstisch und unterhielt sich mit einem schlaksigen dunkelhaarigen jungen Museumsführer, der das gleiche T-Shirt anhatte. Amber und Hunter, registrierte sie im Geiste. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sich die Namen all ihrer Mitarbeiter zu merken.
»Dr. Fallon«, rief Amber, als Diane an dem Tisch vorbeiging.
Diane hielt an. »Ja?«
Amber bemerkte die Zeitung in Dianes Hand. »Ich nehme an, Sie haben das auch schon gesehen«, sagte sie.
Diane sah, dass Amber eine Ausgabe der Zeitung neben ihrem Computer liegen hatte. Zweifellos hatte sie gerade mit Hunter darüber gesprochen. Beide sahen sie ernst und besorgt an.
»Ja, ich habe es gesehen«, bestätigte Diane.
»Es ist doch nicht –«, begann Amber.
»Nein«, sagte Diane. »Es ist nicht wahr.«
»Ich habe es dir ja gesagt«, rief sie Hunter zu, um sich danach wieder
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