Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
allerdings nicht, dass Vanessa seinen Sohn damals erst einmal von ihrem Verdacht überzeugen musste.
»O’Rileys Infektion hatte sich schneller ausgebreitet als üblich, was bereits den Verdacht der amtlichen Leichenbeschauerin erregt hatte. Diese fand dann in seiner Armbeuge Spritzeneinstiche, die nichts mit der Blutabnahme seines Hausarztes zu tun haben konnten. Zwei dieser Einstiche gingen nicht in eine Vene, sondern ins Muskelgewebe. Daraufhin bat man uns – mich und mein Tatortteam –, sein Haus zu durchsuchen. Wir begannen im Schlafzimmer.«
Rivers hörte aufmerksam zu, ohne einen Kommentar abzugeben. Sein bohrender Blick zeigte, wie sehr ihn die ganze Sache interessierte.
»Es war bereits einige Tage her, seitdem sich Archer O’Riley zum letzten Mal in seinem Haus aufgehalten hatte. Alle Zimmer waren inzwischen gründlich gereinigt worden. Wir erwarteten eigentlich nicht, noch etwas zu finden. Aber hinter dem Nachttisch auf seiner Seite des Bettes hatte sich zwischen dem Tischchen und der Wandleiste ein kleiner Wattebausch verfangen. In ihm waren ganz deutlich zwei Rillen zu erkennen, als ob man dort einen nadelförmigen Gegenstand abgewischt hätte.« Diane bemühte sich, ihre Beschreibungen so objektiv wie möglich zu halten.
Rivers öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ließ es dann aber bleiben. Stattdessen forderte er Diane mit einer Handbewegung zum Weiterreden auf. Wahrscheinlich hatten ihn die bisherigen Beweise nicht besonders beeindruckt, aber er hörte trotzdem aufmerksam zu.
»Wir analysierten die Substanzen auf diesem Wattebausch«, sagte Diane.
»Und diese Substanzen zeigten Ihnen dann, was tatsächlich geschehen war?«, fragte Rivers.
Diane nickte. »In einer Rille fanden wir winzige Spuren von Maissirup, Maisstärke, Carrageenan, L-Cystein, Kaseinhydrolysat, dazu noch Spuren von Pferdemist und eine gar nicht so geringe Menge von Clostridium tetani, Tetanusbakterien. Am interessantesten waren hierbei das Kaseinhydrolysat, der Pferdemist – und natürlich die Bakterien. In der zweiten Rille fanden sich Spurenmengen derselben Substanzen, zusätzlich aber auch noch Spuren von Archer O’Rileys Blut, Rohypnol und Epithele von Clymene und ihrem Pferd.«
Rivers hatte seine Stirn in Falten gelegt. Diane war sich nicht sicher, ob dies auf sein Bemühen, Dianes Aufzählung all dieser seltsamen Stoffe zu folgen, zurückzuführen war oder ob er jetzt nicht doch an Clymenes Unschuld zu zweifeln begann.
»Können Sie mir im Einzelnen erklären, was alle diese Substanzen zu bedeuten haben?«, fragte er.
»Maissirup, Maisstärke, Carrageenan, L-Cystein und Kaseinhydrolysat sind Inhaltsstoffe aller Sorten von Babymilchnahrung«, sagte Diane.
Rivers zog die Augenbrauen hoch.
»Kaseinhydrolysat ist ein gutes Medium, wenn man Tetanusbakterien züchten will. Pferdemist ist ein guter Ort, um dieses Bakterium zu finden.«
»Ich verstehe«, sagte Rivers.
Diane setzte ihre Erzählung fort, bevor er noch etwas sagen konnte. Er hätte an dieser Stelle ja fragen können: Wie konnten Sie eine Verbindung zwischen diesen Erkenntnissen und Clymene herstellen?
»Tatsächlich gab es Babynahrung in diesem Haus. O’Rileys Sohn und seine Frau haben ein Baby, aber dessen Mutter gab an, diese bestimmte Marke nicht zu verwenden. Die Epithele – Hautzellen – in den Mistspuren stammten nachweislich von Clymenes eigenem Pferd.«
Rivers schaute Diane ins Gesicht. Er sah müde und überrascht aus. »Wenn ich diese Beweisspuren richtig interpretiere, wollen Sie damit sagen, dass Clymene Tetanusbakterien züchtete, ihrem Mann die Vergewaltigungsdroge Rohypnol verabreichte, um ihn bewusstlos zu machen, damit er sich später nicht mehr daran erinnern konnte, dass sie ihm mit einer Spritze Wundstarrkrampfbakterien injiziert hatte.«
»Genau das«, stimmte Diane zu. »Wenn Sie dem noch hinzufügen, dass sie sich eine gefälschte Familiengeschichte zulegte, uns niemals ihre wahre überprüfbare Identität offenbarte und ihr vorheriger Mann ebenfalls eines unnatürlichen Todes starb, verstehen Sie, warum sie schließlich verurteilt wurde.«
Er atmete einmal tief durch. »Ich gebe zu, dass ich jetzt äußerst enttäuscht bin.«
Dies war ihm auch deutlich anzusehen. Er tat Diane leid. Er war ein Mann, der den Menschen um sich herum vertrauen wollte, von diesen aber ständig enttäuscht wurde.
»Das geht mir genauso«, sagte sie. »Clymene ist intelligent und begabt. Man mag sich gar nicht ausdenken, was aus ihr
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