Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
Frau auf der anderen Seite schaute aber nur interessiert und aufmerksam zurück. Das war alles. Aus ihren Augen flogen keine Dolche oder Blitze, und sie bleckte auch nicht aggressiv die Zähne …
Stattdessen sagte sie: »Danke für Ihr Kommen. Offen gestanden bin ich überrascht. Mein Profiler muss Sie wohl darum gebeten haben.«
Sie sprach mein Profiler aus, als ob sie eigentlich mein Biograph hätte sagen wollen. Diane nahm an, dass er das tatsächlich auch war.
»Was wollen Sie von mir?«
»Ich möchte, dass Sie eine meiner Wärterinnen überprüfen.«
Kapitel 2
S ie möchten, dass ich eine Ihrer Wärterinnen überprüfe?« Ist diese Frau noch bei Trost? Ich habe keine Zeit für einen solchen Unsinn. Sie stand auf, um zu gehen.
Clymene blieb sitzen, aber ihre ganze Körpersprache wirkte, als sei sie bereit, Diane auch durch diesen Drahtschirm zu verfolgen, sollte sie tatsächlich den Raum verlassen.
»Bitte hören Sie mich bis zum Ende an«, sagte sie. »Ich weiß, dass das seltsam klingt.«
Diane überlegte eine Sekunde und setzte sich wieder hin. »Also gut, ich höre Ihnen zu, aber ich habe nicht viel Zeit.«
»Ich möchte, dass Sie sie überprüfen, um sicher sein zu können, dass mit ihr alles in Ordnung ist und ihr keine Gefahr droht«, sagte Clymene.
»Haben Sie Gründe für diese Befürchtung?«, fragte Diane nach. Die Sache begann sie zu interessieren. Worauf war Clymene aus?
»Ja und nein. Lassen Sie es mich erklären.«
Diane musterte sie scharf. Ihr Profiler hatte erzählt, dass sie niemals die normalen Anzeichen einer Person zeigte, die log. Sie lasse den Augenkontakt niemals abreißen und bleibe immer ganz entspannt. Zwar gebe sie ab und zu ausweichende Antworten, aber er könne niemals ein Muster in ihrer Körpersprache entdecken, das auf eine Lüge hindeuten würde. Diane ging es jetzt genauso. Aber das bedeutete gar nichts. Soziopathen waren immer gute Lügner.
»Und warum kümmert Sie das Ganze?«, fragte Diane.
Clymene lächelte. Es war kein aufgesetztes Lächeln, denn es schloss auch ihre Augen mit ein. »Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber in der Welt, in der ich im Augenblick lebe, hänge ich völlig von – wie drücke ich das am besten aus – der Freundlichkeit fremder Menschen ab. So ist das eben im Gefängnis. Hier drin gehört mir gar nichts. Jederzeit kann man mir alles abnehmen und meinen Lebensraum auf den Kopf stellen. Ich muss immer vor Mitgefangenen auf der Hut sein, die plötzlich durchdrehen, weil sie einen unangenehmen Brief erhalten haben und ihren Frust jetzt an mir auslassen wollen. Wie ich bereits gesagt habe: Hier drin ist das eben so. Deswegen ist die Freundlichkeit einer Wärterin so wichtig. Sie verbessert meine Lebensqualität wenigstens ein wenig. Grace Noel ist eine solche freundliche Wärterin.«
Während Clymene sprach, lagen ihre Hände flach auf dem Tisch, die rechte über der linken. Ihre Fingernägel waren kurzgeschnitten und gut manikürt. Ihre Stimme blieb ruhig, ihr Gesicht freundlich, wenngleich das Hellorange ihres Overalls sie blass erscheinen ließ.
Sie zeigte keinerlei äußere Reaktion auf Dianes deutlich erkennbare Ungeduld. Ross Kingsley hatte erwähnt, dass sie niemals die Beherrschung verlor. Sie wirke manchmal frustriert, gerate aber niemals in Wut. Sie betone immer wieder ihre Unschuld, allerdings nur als Antwort auf eine gezielte Frage oder Bemerkung. Sie sei eben nicht so wie die anderen Häftlinge. Ross glaubte sogar, dass sie dieses Anderssein bewusst herausstrich.
»Warum glauben Sie, dass Grace Noel in Gefahr sein könnte?«, hakte Diane nach. Sie fragte sich, ob es eine solche Gefahr wirklich gab oder ob das Ganze eine Finte – oder vielleicht sogar eine Drohung – sein könnte.
»Lassen Sie mich ganz von vorne beginnen«, sagte Clymene. »Grace Noel gehört zu der Sorte Wärterinnen, die gerne mit den Häftlingen redet, wenigstens mit einigen von ihnen.«
Diane fiel auf, dass Clymene von den Häftlingen als ihnen und nicht als uns sprach.
Clymene lächelte. »Ich denke, ich sollte besser uns sagen«, meinte sie, als ob sie Dianes Gedanken lesen könnte. »Grace Noel ist eine etwas füllige, grobknochige Frau.«
»Wollen Sie mir damit sagen, dass sie übergewichtig ist? Warum sollte mich das jetzt interessieren?«, fragte Diane, die immer ungeduldiger wurde. Sie verlagerte ihre Position auf dem harten Stuhl und begann wieder, an die Probleme zu denken, die im Museum auf sie warteten.
»Das ist schon
Weitere Kostenlose Bücher