Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
weiter sinken, bis er nicht mehr tiefer vordringen konnte. Dann entließ er seine Worte in den Abgrund, wie er es bereits die letzten drei Wochen getan hatte.
*Du bist in Sicherheit, Hexenkind. Komm zurück. Du bist in Sicherheit.*
5Terreille
E ine Hand strich über seinen Arm und fasste ihn sanft an der Schulter.
Wut packte Lucivar, als man ihn auf diese Weise des wenigen Schlafes beraubte, den ihm sein schmerzender Körper jede Nacht gewährte. Die Ketten, mit denen er an Handgelenken und Knöcheln gefesselt war, waren nicht lang genug, damit er sich auf dem Boden hätte ausstrecken können. Infolgedessen schlief er zusammengekauert an die Mauer gelehnt, um seine angespannten Beine ein wenig zu entlasten. Sein Kopf ruhte auf den verschränkten Unterarmen, die Flügel hatte er lose um sich gelegt.
Lange Nägel strichen ihm sanft über die Haut. Die Hand an seiner Schulter verstärkte den Druck etwas. »Lucivar«, flüsterte eine tiefe Stimme, die vor Erschöpfung heiser klang. »Wach auf, Mistkerl.«
Lucivar hob den Kopf. Durch den Fensterschlitz der Zelle fiel nicht viel Licht, doch es reichte. Er blickte zu dem Mann empor, der sich über ihn beugte, und für den Bruchteil einer Sekunde war er froh, seinen Halbbruder zu sehen. Dann entblößte er seine Zähne in einem grimmigen Lächeln. »Hallo, Bastard.«
Daemon ließ Lucivars Schulter los und wich misstrauisch zurück. »Ich bin gekommen, um dich hier herauszuholen.«
Langsam erhob Lucivar sich und stieß ein leises Knurren aus, als die Ketten klirrten. »Der Sadist verhält sich rücksichtsvoll? Ich bin gerührt.« Plötzlich stürzte er sich auf Daemon, doch die Fußfesseln behinderten ihn in seiner Bewegungsfreiheit. Daemon entglitt ihm und brachte sich rasch außer Reichweite.
»Kein sehr herzlicher Empfang, Bruder«, flüsterte Daemon.
»Hast du wirklich etwas anderes erwartet, Bruder ?«, entgegnete Lucivar verächtlich.
Seufzend fuhr sich Daemon mit den Fingern durch das Haar. »Du weißt selbst, weswegen ich bisher nichts unternehmen konnte, um dir zu helfen.«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte Lucivar, dessen tiefe Stimme zu einem tödlichen Singsang geworden war. »Genauso wie ich weiß, warum du jetzt hierher gekommen bist.«
Daemon drehte sich zur Seite, sodass sein Gesicht im Schatten verborgen lag.
»Glaubst du allen Ernstes, mich zu befreien, würde es wieder gutmachen, Bastard? Meinst du wirklich, ich könnte dir jemals verzeihen?«
»Du musst mir verzeihen«, entgegnete Daemon kaum hörbar. Dann erschauderte er.
Lucivars goldene Augen verengten sich zu Schlitzen. In Daemons mentaler Signatur schwang eine unerwartete Verletzlichkeit mit. Früher hätte er sich Sorgen deswegen gemacht, nun nahm er sie lediglich als Angriffsfläche wahr. »Du hättest nicht herkommen sollen, Bastard. Ich habe geschworen, dich umzubringen, wenn du jenes Angebot annimmst – und das werde ich auch tun.«
Daemon wandte sich ihm wieder zu, Überraschung in den Augen. »Welches Angebot?«
»Vielleicht trifft es das Wort Handel besser. Deine Freiheit für Jaenelles Leben.«
»Ich habe das Angebot nicht angenommen!«
Lucivar ballte die Hände zu Fäusten. »Dann hast du sie zu deinem Vergnügen getötet? Oder hast du nicht gemerkt, wie sie unter dir starb, bevor es zu spät war?«
Sie starrten einander an.
»Wovon sprichst du?«, wollte Daemon ruhig wissen.
»Cassandras Altar«, entgegnete Lucivar ebenso ruhig, während sich die Wut in seinem Innern ins Unermessliche steigerte und seine Selbstbeherrschung zu vernichten drohte. »Du warst nachlässig und hast das Laken zurückgelassen – und all das Blut.«
Schwankend starrte Daemon auf seine Hände. »So viel Blut«, flüsterte er. »Meine Hände waren ganz voll davon.«
Tränen brannten in Lucivars Augen. »Warum, Daemon? Warum nur hast du das getan?« Seine Stimme wurde lauter, ohne dass er es hätte verhindern können. »Sie war die Königin, der zu dienen wir immer erträumt hatten. Wir hatten so lange auf sie gewartet. Du mörderischer Dreckskerl , warum musstest du sie umbringen? « Lucivar spie aus. »Du bist wahrlich nicht mehr als Haylls Hure.«
Daemons Augen blitzten warnend auf. »Sie ist nicht tot.«
Lucivar hielt die Luft an, wollte den Worten des anderen unbedingt Glauben schenken. »Wo ist sie dann?«
Verwirrt zögerte Daemon. »Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher.«
Schmerz durchzuckte Lucivar so heftig wie in dem Augenblick, als er das getrocknete Blut auf dem
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