Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Benedict gewesen, Lelands ehemaliger Gatte und ein wichtiges Mitglied des Rates der Männer. Die Mitgliederzahl jenes Rates war bereits durch die mysteriöse Krankheit stark dezimiert worden.
Als eine Heilerin aus der Gruppe nach der Krankheit gefragt hatte, hatte Rose erneut gelächelt. »Briarwood ist ein süßes Gift, gegen das es kein Heilmittel gibt.«
Alexandra umklammerte ihr Schultertuch, ohne dass ihr Zittern nachgelassen hätte.
Die Wut, die durch Chaillot gefegt war, hatte die Insel in Stücke gerissen. Beldon Mor war zu einem Schlachtfeld geworden. Die Mitglieder des Männerrates, die noch nicht an der Krankheit gestorben waren, wurden grausam hingerichtet. Nachdem zahlreiche Männer aus Aristokratenkreisen vergiftet worden waren, flüchteten sich viele andere in Herbergen oder ihre Klubs, weil sie zu große Angst hatten, etwas zu essen, das eventuell durch die Hände der Frauen in ihren Familien gegangen sein könnte.
Nachdem die erste Rachewelle verebbt war, hatte sich der Zorn der Hexen gegen Alexandra gerichtet. Zwar gaben sie ihr nicht die Schuld an Briarwood, denn die Klinik war erbaut worden, noch bevor sie die Königin von Chaillot geworden war; doch erbittert warfen sie Alexandra Blindheit vor. Sie war so darauf bedacht gewesen, Chaillot vor Haylls Einfluss abzuschirmen und trotz des Männerrats nicht all ihre Macht zu verlieren, dass sie die Gefahr nicht erkannt hatte, die längst existierte. Es sei, so sagten die erbosten Hexen, als werfe eine Frau einem Mann vor, ihre Brust zu betatschen, wenn er schon längst seinen Schwanz zwischen ihren Schenkeln versenkt habe.
Sie verurteilten Alexandra, weil Robert Benedict all die Jahre in ihrem Haus gelebt und sich das Bett mit ihrer Tochter geteilt hatte. Wenn sie schon einer Gefahr nicht gewahr wurde, die tagaus, tagein an ihrem Tisch saß, wie konnte sie dann ihr Volk schützen?
Man legte ihr Robert Benedict und all die jungen Hexen zu Lasten, die in Briarwood den Tod gefunden hatten oder zerbrochen worden waren.
Sie selbst gab sich die Schuld daran, was mit Jaenelle, ihrer jüngeren Enkeltochter, geschehen war. Sie hatte zugelassen, dass dieses eigenartige, schwierige Kind an einen derart
schrecklichen Ort gebracht worden war. Zwar hatte sie Briarwoods Geheimnisse nicht gekannt, doch wenn sie Jaenelles bizarre Geschichten nicht abgetan, wenn sie das Flehen des Kindes um Aufmerksamkeit erkannt hätte, statt die Kleine als Ärgernis zu sehen, wäre Jaenelle niemals nach Briarwood geschickt worden. Und wenn Alexandra den Hass nicht auf die leichte Schulter genommen hätte, den das Mädchen Dr. Carvay gegenüber an den Tag gelegt hatte, hätte sie die ganze schreckliche Wahrheit dann vielleicht früher herausgefunden?
Sie wusste es nicht. Aber es war zu spät, um im Nachhinein noch Antworten auf ihre Fragen zu erhalten.
Jetzt hatte sie ein weiteres familiäres Problem am Hals. Vor elf Jahren war Wilhelmina Benedict, Roberts Tochter aus erster Ehe, weggelaufen, nachdem sie behauptet hatte, Robert habe sie sexuell belästigt. Philip Alexander, Roberts unehelicher Halbbruder, hatte seine Nichte gefunden, sich jedoch geweigert, ihren Aufenthaltsort bekannt zu geben. Damals war Alexandra wütend auf ihn gewesen, weil er auch ihr nicht verraten hatte, wo sich Wilhelmina befand. In letzter Zeit fragte Alexandra sich, ob Philip vielleicht eine Ahnung gehabt hatte, was sich wirklich hinter Briarwoods sorgsam aufrecht erhaltener Fassade verbarg; zumal es seinem ungestümen Eintreten zu verdanken gewesen war, dass der Ort letzten Endes geschlossen wurde.
Vor zwei Tagen hatte sie einen Brief von Wilhelmina erhalten, in dem stand, dass sie nach Kaeleer gehen werde, ins Schattenreich. Nun, Wilhelmina war mittlerweile siebenundzwanzig, also kein Kind mehr. Egal. Sie war immer noch Teil der Familie. Immer noch ihre Enkelin.
Alexandra schüttelte den Kopf, um den Strom ihrer Gedanken zu unterbrechen. Da sah sie Philip, der auf sie zukam. Mit angehaltenem Atem blickte sie ihm forschend in die grauen Augen.
»Sie ist nicht unter ihnen«, flüsterte Philip.
Alexandra stieß ein tiefes Seufzen aus. »Der Dunkelheit sei Dank.« Doch sie wusste sehr gut, was Philip nur nicht laut ausgesprochen hatte: noch nicht.
Philip bot ihr seinen Arm an. Sie griff danach, dankbar für die Stütze. Er war ein guter Mann, das Gegenteil seines Halbbruders. Es hatte sie gefreut, als Leland und er traditionsgemäß per Händedruck ihren Vorsatz besiegelt hatten, zu heiraten.
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