Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
die anderen Männer, die sich an Briarwood erfreut hatten, lagen längst unter der Erde. Nur die Tatsache, dass er Hayllier war, also einem langlebigen Volk entstammte, hatte ihn als Einzigen überleben lassen. Und er war nie mehr nach Chaillot zurückgekehrt. Doch er konnte spüren, wie ihm nun die Zeit davonlief.
Seitdem vor ein paar Wochen die Verbindung bekannt geworden war, die zwischen der Krankheit und Briarwood bestand, hatte er nachzudenken begonnen – immer dann, wenn sein Geist nicht von Alpträumen zerfressen wurde, und er einen klaren Gedanken fassen konnte. Jedes Mal kam er zu demselben Schluss: Nur in Kaeleer gab es Heilerinnen, die vielleicht mächtig genug waren, um seine Krankheit aufhalten oder heilen zu können, bevor sie ihn dahinraffte, und die obendrein nichts von der Ursache jener Seuche ahnten. Wahrscheinlich dienten die Heilerinnen an den Höfen der Territoriumsköniginnen, die unter der Kontrolle des Höllenfürsten standen, wenn Dorothea nicht auch in dieser Hinsicht gelogen hatte. Folglich musste er etwas finden, mit dessen Hilfe sich die Unterstützung des Höllenfürsten erkaufen ließe. Dank
Dorotheas kleiner Rede befand er sich nun im Besitz von Informationen, die den Prinzen der Dunkelheit seiner Meinung nach sehr interessieren dürften.
Zufrieden mit seiner Entscheidung, lächelte Kartane. Er würde ein paar Tage länger nach weiteren Informationen suchen und anschließend dem Schattenreich einen kurzen Besuch abstatten.
4 Terreille
Schwungvoll ließ sich Alexandra Angelline in den Sessel sinken. Sie war erleichtert, dass Dorothea sich für ein privates Empfangszimmer anstelle eines formellen Audienzsaals entschieden hatte. Dieses Treffen würde auch ohne einen Hof voll höhnisch feixender Hayllier schwierig genug sein.
Mit Dorothea allein zu sein, hatte allerdings auch seine Nachteile. Alexandra hatte gehört, dass Haylls Hohepriesterin einst eine attraktive Frau gewesen war. Der Schatten dieser Schönheit war zwar immer noch vorhanden, aber nun ging Dorothea gebückt, denn ihre Wirbelsäule war verkrümmt. Die braunen Handrücken waren von Altersflecken übersät, und das Gesicht und die Haare …
Letzten Endes ergeht es uns allen so, dachte Alexandra, während sie beobachtete, wie Dorothea Tee in zierliche Tassen goss. Doch wie musste es sich anfühlen, eines Abends als Frau in den besten Jahren ins Bett zu gehen und am nächsten Morgen als hässliches altes Weib aufzuwachen?
»Ich bin dir … dankbar … dass du mir eine Audienz gewährt hast.« Alexandra brachte die Wörter nur mit Mühe hervor.
Dorotheas Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Sie reichte Alexandra eine Teetasse. »Es überrascht mich, dass du überhaupt darum gebeten hast.« Das Lächeln erlosch. »In der Vergangenheit waren wir nicht gerade enge Freundinnen, und wenn man bedenkt, was deiner Familie zugestoßen ist, hast du allen Grund, mich zu hassen.« Sie zögerte, trank einen
Schluck Tee und fuhr dann leise fort: »Es war nicht meine Idee, Sadi nach Chaillot zu schicken, aber ich entsinne mich nicht, wer es vorgeschlagen hat, und weshalb ich meine Zustimmung erteilt habe. Über gewissen Erinnerungen liegt immer noch ein Schleier, den ich nicht zu durchdringen vermag.«
Alexandra führte die Tasse an den Mund, setzte sie jedoch anschließend wieder ab, ohne davon getrunken zu haben. »Du glaubst, der Höllenfürst steckt dahinter?«
»Ja, das tue ich. Sadi ist eine schöne, grausame Waffe, und sein Vater weiß gut mit ihm umzugehen. Ihr Ziel haben sie jedenfalls erreicht.«
»Welches Ziel?«, fragte Alexandra erbost. »Sadi hat meine Familie zerstört und meine jüngste Enkelin ermordet. Was wurde damit erreicht?«
Dorothea lehnte sich zurück und nippte erneut an ihrem Tee. »Du vergisst, dass der Leichnam des Mädchens nie gefunden wurde, Schwester«, gab sie leise zu bedenken.
Etwas in Dorotheas erwartungsvollem Blick ließ Alexandra erzittern. »Das hat nichts zu bedeuten. Er ist sehr geschickt darin, Leute verschwinden zu lassen.« Sie stellte die Tasse zurück auf die Untertasse. Der Tee war unberührt. »Ich bin nicht hergekommen, um über die Vergangenheit zu sprechen. Wie groß ist die Gefahr, die vom Höllenfürsten ausgeht?«
»Daemon Sadi ist seines Vaters Sohn. Beantwortet das deine Frage?«
Es gelang Alexandra nicht, ein Schaudern zu unterdrücken. »Und du glaubst wirklich, dass er die Angehörigen des Blutes in Terreille ausrotten möchte?«
»Ich bin mir ganz
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