Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
schrie!
Er hörte zu denken auf und überließ dem Krieger in seinem Innern die Führung. Sein Abstieg verwandelte sich augenblicklich von einem hektischen, kaum kontrollierten Sturz in ein geschmeidiges, wildes Abtauchen. Sein Herz klopfte in einem langsamen, gleichmäßigen Rhythmus, während er tief unten an Saphir vorbeisauste und seine Kräfte sammelte, um später knapp über seinem inneren Netz wieder auftauchen zu können.
Das war es, was Männer des Blutes meinten, wenn sie vom Blutrausch sprachen. Der Geist ließ sich von nichts mehr ablenken. Zwischen den einzelnen Herzschlägen erstreckte sich jeweils ein ganzes Leben. Er hatte so viel Zeit, wie er brauchte, um nachzudenken und zu handeln.
Jared machte kehrt und begann den Aufstieg. Über sich erblickte er die anderen Geister in Form von blinkenden, juwelfarbenen Sternen, wie Kerzenlichter, die alsbald von einem heftigen roten Wind ausgelöscht werden würden. Er zog eine mentale Linie und bildete einen Halbkreis, wie Randolf es ihm aufgetragen hatte.
Er stieg weiter nach oben und wartete. Wartete.
Ein paar Opale, aber nichts Stärkeres.
Als er die Höhe von Grün erreicht hatte, entfesselte er Rot und überflutete die kleineren Behälter, bis sie von innen her zerbarsten.
Hoch, hoch, hoch. Juwelensterne explodierten. Über Weiß befanden sich die farblosen Kerzen der Angehörigen des Blutes, die keine Juwelen trugen. Auch die löschte er aus.
Eine Hand packte ihn an der Schulter. Finger gruben sich in seinen Arm.
Ohne auf die Hand zu achten, machte er kehrt und stieg gemächlich hinab. Diesmal nicht so tief. Er musste nicht so tief hinabsteigen. Rot pulsierte immer noch in seinem Blut.
»Es reicht, Jared!«, schrie ihm eine barsche Stimme ins Ohr.
Jetzt hatte er verstanden. Man musste einen Rahmen um die Juwelensterne erschaffen. Die eigenen Kräfte innerhalb dieses Rahmens halten.
Er drehte sich ein Stück zur Seite, seine Augen sahen die Felsblöcke auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sahen sie auch wieder nicht.
Eine Schachtel. Eine übersichtliche Kiste, in der sich die kleinen Kerzen aufbewahren ließen. Sein mentaler Rahmen streifte einen aquamarinfarbenen Stern. Er erkannte die mentale Signatur wieder und zog sich von Corrys verängstigtem Geist zurück.
Und entfesselte seine Macht ein weiteres Mal.
Mehr Juwelensterne zerbarsten zu funkelnden Schauern.
Eine Faust traf ihn am Kinn, sodass sein Kopf zurückgeworfen wurde.
Fauchend drehte Jared sich um, um sich dem Menschen zu stellen, der es wagte, ihn zu unterbrechen. Wer auch immer es sein mochte.
Angst füllte Randolfs braune Augen – Angst und grimmige Anerkennung.
Jared blinzelte.
Sein Herzschlag beschleunigte sich.
Noch ehe er sich dessen bewusst wurde, glitt er aus dem Blutrausch.
Er blinzelte erneut und sah sich um.
Randolf hatte ihm nicht gesagt, dass sich die mentale Explosion auch im Reich des Physischen niederschlagen konnte.
Jared starrte die zertrümmerten Gesichter, die in Stücke gerissenen Köpfe an.
Er löste sich aus Randolfs Griff und beugte sich würgend über den Felsblock, der ihnen Deckung verschafft hatte.
Eine starke, schwielige Hand legte sich über seine Stirn. Eine andere Hand rieb ihm besänftigend den Rücken.
»Du hättest es mir sagen können«, stieß Jared keuchend hervor. Er übergab sich erneut.
»Das hätte es dir nur schwerer gemacht«, versetzte Randolf schroff.
Keuchend versuchte Jared, den galligen Geschmack in seinem Mund auszuspucken. Langsam richtete er sich auf.
Randolf trat einen Schritt zurück.
»Hast du das je getan?«, wollte Jared wissen und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
Randolf nickte. »Ja, das habe ich. Es gibt gute Gründe, warum man Angst vor den Angehörigen des Blutes hat, die dunkle Juwelen tragen, Jared.«
Ein Machtblitz, der einen Felsen ganz in ihrer Nähe traf, rief ihnen ins Gedächtnis zurück, dass die Schlacht noch nicht zu Ende war.
Jared baute erneut einen roten Schild um sie auf. Sie rannten über die Straße und wählten eine Stelle aus, an der sie vor Angreifern von oben verborgen waren.
»Beim Feuer der Hölle«, sagte Randolf mit mürrischer Bewunderung. »Trotz all der Kraft, die sie gegen die Schwarze Witwe aufbieten, schafft sie es immer noch, den grünen Schild aufrechtzuerhalten.«
Jenseits des Schildes entfesselten Dutzende Räuber immer wieder die Macht ihrer Juwelen und versuchten durchzubrechen.
Die Machtblitze, die von dieser Straßenseite aus
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