Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
um mit Reyna zu sprechen und jene Worte zurückzunehmen.
Kühnes Draufgängertum. Die einzige Waffe, die er ungestraft
einsetzen konnte. Zwar trieb er Raubbau mit den letzten Ressourcen, die ihm an körperlicher Ausdauer noch geblieben waren, doch er musste durchhalten, bis man ihn in das Sklavenabteil in der Kutsche geschafft hatte. Er musste Grizelle davon überzeugen, dass er immer noch ein Mann war, von dem sie etwas zu erwarten hatte. Eine Zeit lang würde er den Umstand verbergen müssen, dass dies nichts weiter als eine hohle Behauptung war.
Mit zitternden Händen fuhr Jared sich durch das Haar. Im Moment war es ein wenig ungepflegt, doch mit ein wenig Kunst ließ sich aus ungepflegt verführerisch zerzaust machen. Die Graue Lady war eine alte Frau, aber er war ein Sklave, der im Bett ausgebildet war und ein paar Leckereien zu bieten hatte, die sie vielleicht noch verlocken und ablenken konnten. Vielleicht würde die Waage auf diese Weise zu seinem Vorteil ausschlagen, während er versuchte herauszubekommen, wie viel Kontrolle dieser verfluchte Ring über ihn besaß.
Sein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass er die Graue Lady dazu ermuntern müssen würde, sich an ihm gütlich zu tun. Doch wenn es sie dazu brachte, weniger achtsam zu sein, würde er vielleicht ihren Fängen entschlüpfen und auf den Winden nach Shalador reisen können.
Ohne Vorwarnung öffnete der Begleiter die Tür und blieb jäh stehen. Es gelang ihm nicht, seine Überraschung zu verbergen angesichts der Verwandlung, die mit dem nackten Sklaven vor sich gegangen war, den er eben noch hier zurückgelassen hatte. Vor ihm stand nun ein Krieger, der sich von seinem Spiegelbild abwandte und ihn anlächelte.
Es bereitete Jared Genugtuung, dass es ihm gelungen war, den Mann aus der Fassung zu bringen. Er ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, als wolle er ihm einen Gefallen tun. »Wenn du mich in Ketten legen willst, dann beeil dich. Die Graue Lady wartet schon auf ihren Tanz.« Er hoffte, der Wächter hielte die Erschöpfung in seiner Stimme für Langeweile.
»Von Ketten hat sie nichts gesagt«, meinte der Mann widerwillig.
»Nein, das dachte ich mir schon. Die Lady wirkt äußerst diskret, und Ketten sind meist recht auffällig, besonders wenn sie in einem gewissen Rhythmus an die Bettpfosten schlagen. Meinst du nicht auch?«
Die Lippen des Begleiters verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen. »Ich war noch nie angekettet.«
»Ich wollte damit nicht andeuten, dass du angekettet warst.« Jared wartete, bis der andere seine Beleidigung begriffen hatte. Dann zuckte er mit den Schultern. »Oder dass du es nötig gehabt hättest. Ich dachte bloß, da du ja deinen Lebensunterhalt damit verdienst, andere Leute anzuketten, kennst du vielleicht ein paar interessante Stellungen, von denen man an den Höfen noch nichts gehört hat. Aber vielleicht auch nicht. Das ist ein bisschen, wie eine Frau von hinten zu nehmen. Ist nicht jedermanns Geschmack.«
Wut loderte ihm aus den Augen des Begleiters entgegen. »Weißt du überhaupt, was ich dir alles antun könnte?«
»Nicht das Geringste.« Jared entblößte seine Zähne und fügte leise hinzu: »Komm schon, versuch es doch. Schauen wir einmal, ob dieser Ring mich wirklich zurückhalten kann.«
»Gibt es ein Problem?« Grizelles Stimme ergoss sich wie kalter Regen über die beiden Männer.
Der Wächter trat widerwillig auf den Korridor hinaus. »Nein, Lady.«
»Warum dauert das dann so lange?«
Jared schenkte dem Begleiter ein selbstgefälliges Lächeln, wobei ihm klar war, dass dies den Mann zur Weißglut treiben würde, weil ihm nicht die geringste Möglichkeit offen stand, darauf zu reagieren.
Es war an der Zeit, den letzten Akt zu spielen.
Mutter der Nacht, lass meinen Körper noch ein klein wenig durchhalten.
Jared machte einen Schritt vorwärts und zwang den Begleiter, zur Seite zu treten. Er verbeugte sich vor Grizelle
und achtete darauf, dass die Verbeugung genau so ausfiel, wie es das Protokoll einem Krieger mit rotem Juwel gegenüber einer Königin mit grauem Juwel vorschrieb.
Zumindest wenn es sich bei dem Krieger nicht um einen Sklaven handelte.
Der Begleiter stieß ein wütendes Knurren aus.
Grizelle starrte Jared ungläubig an, doch er meinte, ein amüsiertes Flackern in den harten grauen Augen erspäht zu haben.
Sie hatte also etwas für kühnes Draufgängertum übrig. Der Dunkelheit sei Dank!
Er beutete die letzten Reste seiner mentalen Kraft weiter aus, um
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