Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
musste mittlerweile neunzehn sein. Er war nicht länger der zehnjährige Knabe, von dem er sich fröhlich verabschiedet hatte, bevor er sein Leben ruinierte.
»Ich heiße Tomas«, sagte der Junge. »Es gibt keinen Davin hier.«
Dafür sei der Dunkelheit Dank!
In der mentalen Signatur des Jungen spürte er schwach etwas Eigenartiges, doch Jared war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um diesen Umstand genauer zu ergründen. »Wo …«
»Wir sind im Trakt für die Diener der Gäste.«
Jared schüttelte den Kopf und versuchte es erneut. »Wo...«
»Keine Ahnung, in welchem Territorium …«
»Wo ist der verdammte Nachttopf?«
»Oh!« Tomas wies auf eine Tür in der Wand. »Da drüben.«
Trotz der Dringlichkeit zögerte Jared, da er mittlerweile wach genug war um festzustellen, dass er nackt und sein Lendenbereich lediglich von einem Laken bedeckt war.
Tomas grinste. »Alle anderen sind draußen, und den Ladys ist es einerlei, ob du deinen Schwanz anderen Männern zeigst.« Er kratzte sich am Kopf. »Den anderen Männern ist es auch egal.«
»Manchmal nicht«, murmelte Jared, der an Auseinandersetzungen zwischen Lustsklaven denken musste, die blutig ausgegangen waren, weil jemand in seiner Verzweiflung die Selbstbeherrschung verloren hatte. »Manchmal ist es ihnen überhaupt nicht egal.«
Das Grinsen in Tomas’ Gesicht verblasste. Er erbleichte. Dann stand er eilig auf und stürzte auf die Tür zu. Die ruckartigen Bewegungen und die Angst, die jetzt die dunklen Augen erfüllte, erzählten Jared mehr als die allmählich abheilenden Blutergüsse auf den nackten Armen des Jungen, mehr noch als die alten Narben auf den spindeldürren Beinen, die aus einer zerlumpten kurzen Hose hervorsahen. Und er wusste nun auch, was die gedämpfte mentale Signatur zu bedeuten hatte. Tomas war ein Halbblut.
Halbblute hatten zu viel mentale Kraft, um Landen zu sein, doch nicht genug, um Angehörige des Blutes zu sein. Deshalb waren sie ausgestoßene Bastarde, die weder von der einen noch der anderen Gesellschaft anerkannt wurden. Der Elternteil, der zu den Blutleuten gehörte, bekannte sich zwar nicht offiziell zu dem Kind, doch wenn er das Gefühl hatte, dass sein Nachwuchs Potenzial aufwies, wurde das Kind eventuell aufgenommen und als Dienstbote aufgezogen. Vielleicht bildete man es sogar dazu aus, Aufseher über ein Landendorf zu werden. Meist wurden Halbblute Sklaven, die sich um Sklaven kümmerten, die Angehörige des Blutes waren.
Und manchmal gab es keinen grausameren Menschen, als jemanden, der am eigenen Leib Grausamkeit erfahren hatte.
Jared fluchte leise und folgte Tomas.
Das Badezimmer wies zwei Toiletten, drei Waschbecken und zwei Badewannen auf. Es gab keinerlei Trennwände, die zumindest eine Illusion von Privatsphäre erzeugt hätten. Allerdings waren die Toiletten deutlich besser als stinkende Aborte.
Jared versuchte, beim Pinkeln nicht auf den Jungen zu achten, der neben ihm stand. In den Sklavenquartieren hatte man Tomas vielleicht das Fürchten gelehrt, doch der Junge war einfach zu ungestüm, als dass er auch gelernt hätte, vorsichtig zu sein.
»Du trägst keinen Ring«, sagte Tomas mit gedämpfter Stimme.
»Er ist unsichtbar«, erwiderte Jared kurz angebunden in der Hoffnung, damit sei die Angelegenheit erledigt.
»Wenn du deinen Ring mit einem Sichtschutz belegst, damit niemand weiß, dass du ein Sklave bist, werden sie dich zu Tode peitschen.«
Die ehrliche Sorge in der Stimme des Jungen ließ Jared die Zähne zusammenbeißen. »Es handelt sich nicht um einen Sichtschutz. Der Ring ist unsichtbar.«
»Na, das sehe ich selbst!«
Wie sollte er etwas erklären, das er selbst nicht verstand? »Es ist ein Unsichtbarer Ring. Wie ein Ring des Gehorsams, bloß stärker.«
Tomas riss die Augen auf. »Du musst etwas tragen, das stärker als ein Ring des Gehorsams ist? Bist du so gefährlich?«
»Vermutlich.«
»So gefährlich wie der Sadist?«
Zuerst wollte Jared Tomas eine beruhigende Antwort geben, doch im Antlitz des Jungen spiegelte sich keinerlei Angst wider, lediglich atemlose Faszination. Adelige hatten allen Grund, Daemon Sadi zu fürchten, doch nicht junge Halbblute. Also sagte Jared feierlich: »Er hat mir alles beigebracht, was ich weiß.«
Tomas sah ihn eine Minute lang an, wobei seine Lippen
ein lautloses »Oh« formten. Da erkannte Jared, dass er keine bessere Empfehlung hätte anführen können.
Erneut blitzte das Grinsen auf, bei dem es sich um Tomas’ natürlichen
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