Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
gefrieren.
Diese Trommeln riefen nicht die Männer zum Tanz. Diese Trommeln riefen die Hexen zur Schlacht.
Und sie antworteten.
Durch das Netz konnte er spüren, wie sich das Gefecht veränderte, wie es kälter und wilder wurde. Gnadenlos.
Er sah aus dem Fenster und versuchte sich auf die Stelle zu konzentrieren, an der Krelis und die Hayllier das Dorf betreten würden.
Doch er sah nichts dergleichen. Während erneut der Wind über seine Haut fegte und sein Blut im Rhythmus der Trommeln pulsierte, konnte er das Netz mit seinen hell leuchtenden Perlen sehen. Er sah einen dunklen Kreis, der es umgab und sich langsam zusammenzog, während die Hayllier vorrückten.
Da erschien ein weiterer Kreis außerhalb des dunklen. Hell, dunkel. Silber, Gold. Er war all dies – und er hielt sämtliche Antworten bereit, wenn er nur leise genug bleiben konnte, um sie zu hören.
Er hob die Hand. Wollte ihn berühren.
Da wurde er durch einen Warnruf aus seiner Konzentration gerissen, und die Vision verschwand.
Jared verspannte sich innerlich, als er beobachtete, wie Randolf die Straße entlang zurückwich. Der Krieger warf den Kutschen nicht einmal einen kurzen Blick zu. Insgeheim gratulierte Jared ihm zu dieser Selbstbeherrschung. Wenn es ihnen nur gelänge, die Hayllier weit genug in das Dorf zu locken, würde Lia vielleicht doch noch die Flucht gelingen.
Kurz darauf erschienen etliche Hayllier. Einer von ihnen, ein Krieger mit saphirblauem Juwel, trug das Abzeichen eines Hauptmannes der Wache.
Krelis sah sich um und richtete den Blick dann auf das Gasthaus, als könne er Jared im Innern des Gebäudes stehen sehen oder zumindest spüren. Er lächelte und gab ein müdes Handzeichen.
Drei hayllische Wächter kamen auf das Gasthaus zu.
Da wurde die Tür der Kutsche aufgerissen.
Lia wich den Haylliern aus, die sie packen wollten, und rannte die Straße entlang.
»Lia, nein!«, rief Jared. In dem verzweifelten Versuch, sie zu beschützen, ließ er die Tür des Gasthauses mithilfe der Kunst aufspringen.
Das überraschte die Hayllier so sehr, dass sie ein paar Sekunden von Lia abließen.
»Lia!«, rief Jared.
»Verfolgt sie!«, brüllte Krelis.
Bevor sich jemand rühren konnte, traf Lia ein saphirblauer Machtblitz in der Magengegend. Ihr Körper zerbarst, Blut und Eingeweide ergossen sich auf die Straße. Sie riss den Mund zu einem stummen Schrei auf und flog zurück.
Jared erreichte sie als Erster. Er vergaß die Hayllier. Vergaß das Netz. Vergaß sein Versprechen. Vergaß alles außer der geliebten Frau, die mitten auf der Straße auf dem Rücken lag.
»Lia.« Jared ließ sich auf die Knie fallen. Eine Hand verharrte über ihrem verwüsteten Körper. Mit der anderen strich er ihr zärtlich über das Haar.
Als Jared Schritte hörte, hob er den Kopf und fletschte die Zähne.
Krelis stand ein paar Meter vor ihm.
Jared konnte keinerlei Reue in den harten goldenen Augen erkennen. Enttäuschung und Ärger, ja, aber keine Reue.
»Jared«, sagte Lia schwach.
Ohne weiter auf Krelis zu achten, schenkte Jared ihr seine
ganze Aufmerksamkeit. »Sch, Lia«, sagte er sanft. »Versuch nicht zu sprechen.«
»Jared«, keuchte sie. »Das Netz. Nur das Netz zählt. Alles ist auf dich abgestimmt.«
»Sch, Lia.«
Sie fuchtelte mit der Hand durch die Luft. Dann fanden ihre Finger sein Haar. Krallten sich fest. Fester. Zogen heftig daran.
Überrascht ächzte Jared auf.
»Erhalte das Netz aufrecht«, sagte Lia mit einer Stimme, die geradezu unheimlich klang.
Jared senkte seine Stirn auf die ihre. Es war jetzt egal. Es war zu spät. Das würde er ihr nicht sagen. Doch jetzt, da ihnen nur ein paar Augenblicke blieben, würde er ihr etwas anderes sagen.
»Ich liebe dich, Lia«, flüsterte er. »Ich werde dich immer lieben.«
»Heb dir das für eine passendere Gelegenheit auf«, erwiderte sie scharf.
Von ihrem Tonfall getroffen, hob Jared den Kopf.
Und beobachtete, wie graue Augen eisig grün wurden, wie die Illusion von Lias Gesicht verschwand.
Er konnte spüren, wie sich etwas zusammenbraute, immer heftiger zusammenbraute. In der Luft lag ein Donnern.
»Mutter der Nacht«, flüsterte er.
Die Verbindung zwischen Garth und Brock hatte so gut funktioniert, weil Garths Geburtsjuwel mit Brocks Juwelenrang übereinstimmte.
Genau wie bei Lia und Thera.
Jetzt begriff er auch die scharfe Note, die er an Lias mentaler Signatur wahrgenommen hatte, als er sie geküsst hatte. Er begriff, warum sie und Thera so nahe beieinander geblieben
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