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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Suezkanal, Lawrence von Arabien, Kolonialismus, äh – kulturelles Erbe, Ausbeutung von Bodenschätzen, na, Sie wissen schon. Ist ja auch wirklich wichtiger als Elisabeth eins, wie?«
    Quinn nickte unbestimmt.
    »Mir geht es jetzt um folgendes: Lassen Sie sich die Sache bis zur nächsten Woche mal durch den Kopf gehen, ja? Bringen Sie ein paar Ideen zu Papier. Nicht zu ausführlich, nur in Umrissen. Und die geben Sie mir dann.«
    »Ich werde mein Bestes tun, Sir. Aber könnten Sie bitte einen Punkt noch einmal wiederholen? Sagten Sie ›Wichtiger als das Elend des Seins‹?«
    »Elisabeth eins, Mann! Elisabeth die Erste!«
    »Ja, so. Natürlich.« Quinn lächelte bläßlich und ging äußerst kleinlaut hinaus. Wenn sich nur Bartlett ein bißchen mehr Mühe mit seinen Mundbewegungen geben würde.
    Bartlett machte die Augen halb zu, verzog die Lippen, als habe er eine Tasse Essig geschluckt, und fletschte die Zähne. Wieder dachte er an Roope. Was war der Mann doch für ein Trottel gewesen.
     

3
     
    Den ganzen Oktober über war der Gesundheitszustand des englischen Pfundes ein allgemein interessierendes, wenn auch betrübliches Gesprächsthema. Feierlich (und bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma) wurde in Funk und Fernsehen über seine effektive Abwertung gegenüber dem Dollar und anderen europäischen Währungen berichtet: Das Pfund hatte einen schlechten Vormittag gehabt, hatte sich aber im späteren Börsenverlauf wieder leicht erholt. Das Pfund hatte einen besseren Vormittag gehabt, war aber später seinen europäischen Konkurrenten gegenüber in Bedrängnis geraten. Es schien, daß sich das Pfund gelegentlich auf seinem Krankenlager aufrichtete, um der Welt zu beweisen, daß Berichte über sein Ableben etwas übertrieben waren, aber fast immer überanstrengte es sich dabei, und bald lag es wieder danieder, erlitt einen Rückfall bis hin zum fast totalen Zusammenbruch, um sich dann doch wieder aufzurappeln, den besorgten ausländischen Finanziers zuzublinzeln und ein, zwei Punkte auf dem internationalen Geldmarkt nach oben zu klettern.
     
    Obgleich also in diesem Herbst die Lücke in der Zahlungsbilanz immer größer wurde, obgleich sich die riesigen Öldefizite nur durch massive Anleihen beim Weltwährungsfonds ausgleichen ließen, obgleich sich die Zahl der Arbeitslosen in nie dagewesene, schwindelnde Höhen erhob, obgleich die Konkursgerichte Zulauf wie nie zuvor hatten, obgleich ausländische Investoren zu der Überzeugung kamen, daß London nicht mehr der geeignete Anlageplatz für ihre ständig anwachsenden Überschüsse war – trotz und alledem bewahrten sich unsere ausländischen Freunde ihren unerschütterlichen Glauben an die Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit des britischen Schulsystems und infolgedessen auch an die Integrität und Fairness des Systems staatlicher Prüfungen. Ach je.
     
    Viele Menschen strebten am Abend des 3. November, einem Montag, in Oxford ihren Hotelzimmern zu: Handlungsreisende und kleine Geschäftsleute, Besucher aus dem Ausland und Besucher aus dem Inland. Alle hatten ihre Unterkunft mit Blick auf ihre Spesen und Zuschüsse, den Umfang ihrer Reiseschecks oder den Inhalt ihrer Urlaubskasse gewählt. Es waren billige Hotels und vornehme Hotels, meist aber eher billige, obschon die weiß Gott noch teuer genug waren – Zimmer, in denen die Wassertanks die ganze Nacht über stöhnten und gurgelten, Zimmer, in denen die Schiebefenster klemmten und die Dielenbretter unter dem dünnen Bodenbelag knarrten. Die fünf Emissäre des Scheichtums Al-jamara hingegen waren bereits versorgt. Sie waren in den schönsten Zimmern, die das Sheridan zu bieten hatte, untergekommen. Am frühen Abend hatten sie üppig getafelt, bescheiden gebechert und großzügig Trinkgelder verteilt, dann waren sie nach oben gegangen und hatten sich in die frischbezogenen Betten gelegt. Häusliche Probleme, persönliche Probleme, gesundheitliche Probleme – das eine oder das andere oder alle miteinander mochten als leichter Hauch die stillen Wasser ihrer Träume kräuseln, Geldprobleme aber hatten sie alle nicht. In den Nachkriegsjahren war hochwertiges Öl in großen, leicht zugänglichen Lagern unter ihrem scheinbar kahlen Sandboden gefunden worden, und ein wohlwollender, relativ gewissenhafter Despot, ein Onkel von Scheich Ahmed Dubai, hatte nicht nur amerikanisches Kapital zur Ausbeutung der Ölquellen beschafft, sondern das Leben der meisten Bewohner von Al-jamara unermeßlich bereichert. Straßen,

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