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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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Krankenhäuser, Einkaufszentren, Schwimmbäder und Schulen waren nicht nur geplant, sondern tatsächlich gebaut worden. In dieser zunehmend verwestlichten Gesellschaft war eine bessere Schulbildung für ihre Kinder das große Anliegen der wohlhabenden Bürger. Die ersten Kontakte zum Verband für Auslandsprüfungen lagen jetzt fünf Jahre zurück.
     
    Die auf zwei Tage angesetzte Besprechung begann am Dienstag, dem 4. November, um halb elf. Bei dem voraufgehenden Begrüßungskaffee gab es eifriges Händeschütteln, zahlreiche Vorstellungen, viele lächelnde Mienen und allgemeines Wohlwollen. Die tiefgebräunten Araber trugen fast identische dunkelblaue Anzüge mit blendendweißen Hemden und sachlich-nüchternen Krawatten. Quinn hatte dem Tag mit einigem Zittern und Zagen entgegengesehen, merkte aber bald zu seiner großen Erleichterung, daß die Araber ein wunderbar präzises, fließendes Englisch sprachen, das zwar gelegentlich durch einen idiomatischen Ausrutscher beeinträchtigt wurde, aber klar und – für Quinn – fast lächerlich leicht zu verstehen war. Alles in allem gingen die beiden Tage rasch und angenehm vorüber: Plenarsitzungen, Einzelgespräche, allgemeine Diskussion, Diskussion im kleinen Kreis, lebhafte Unterhaltungen, gutes Essen, Kaffee, Sherry, Wein. Das Unternehmen war ein großer Erfolg.
    Für den Mittwochabend hatten die Araber die Disraeli-Suite des Sheridan für eine Abschiedsfeier reserviert, und alle Ehefrauen oder Freundinnen sowie das Führungsgremium des Verbandes waren zu der Festivität eingeladen. Scheich Ahmed höchstselbst, prächtig anzusehen in seinen arabischen Gewändern, nahm neben der strahlenden Monica Height Platz, die einen sehr schicken blaß violetten Hosenanzug trug. Donald Martin wurde an der Seite seiner unscheinbaren Frau in ihrem zerknitterten weißen Rock und mit den Schuppen auf dem schwarzen Pullover immer elender zumute. Der Scheich hatte ganz offensichtlich die schöne Monica für die Dauer des Abends mit Beschlag belegt. Immer wieder ließ er sein weißgoldenes Lächeln aufblitzen, wenn er sich vertraulich zu ihr hinüberbeugte. Aufmerksam, geschmeichelt, einladend gab sie das Lächeln zurück. Auch Quinn beobachtete die beiden, während er seinen Krabbensalat aß. Der Scheich redete ununterbrochen, aber ob seine Worte allein Monica galten, hätte Quinn nicht sagen können.
    »Wie formulierte es doch einer Ihrer Landsleute:
     
    Austern sind amourös,
    Hummer ist heiß,
    Aber Krabben – o Herr …«
     
    Monica lachte und flüsterte dem Scheich etwas ins Ohr, was Quinn nicht mitbekam. Es war töricht gewesen, daß er sich je Hoffnungen gemacht hatte. Und dann folgte ein weiterer kurzer Wortwechsel, und jetzt wußte er, daß pianissimo geflüstert worden war. Er spürte sein Herz schneller und heftiger schlagen. Nein, da hatte er sich wohl doch geirrt …
    Gegen Mitternacht war die Gesellschaft auf ein Drittel ihres ursprünglichen Umfangs geschrumpft. Philip Ogleby, der mehr als alle anderen getrunken hatte, wirkte wie der einzig Nüchterne unter den Gästen. Auch die Martins waren vor einiger Zeit gegangen. Monica und Scheich Ahmed tauchten nach einer unerklärten Abwesenheit von einer guten halben Stunde plötzlich wieder auf. Bartlett redete etwas zu laut, und seine große, sehr um ihn besorgte Frau hatte ihn bereits mehrmals darauf hingewiesen, daß er nach Gin gern über seine eigenen Worte stolperte. Einer der Araber verhandelte ernsthaft mit einer Barfrau. Von den Gästen bewiesen nur der Präsident des Verbandes, Voss und Roope noch einiges Stehvermögen.
    Um halb eins fand Quinn, daß es höchste Zeit war, die Party zu verlassen. Ihm war heiß und ein bißchen schlecht. Er ging zur Herrentoilette und legte den Kopf an den kühlen Wandspiegel. Morgen früh hatte er bestimmt einen grauenhaften Kater. Und er mußte noch zu seiner Junggesellenwohnung in Kidlington zurückfahren.
    Warum war er nicht so vernünftig gewesen, sich ein Taxi zu bestellen? Er ließ sich kaltes Wasser über Gesicht und Handgelenke laufen, fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare und fühlte sich etwas besser. Er würde sich verabschieden und machen, daß er wegkam.
    Als er die Suite wieder betrat, waren nur noch wenige Gäste da, und er kam sich fast wie ein störender Eindringling vor. Er versuchte, Bartletts Blick aufzufangen, aber der war in ein Gespräch mit Scheich Ahmed vertieft. Quinn sah sich ein paar Minuten einigermaßen ratlos um, dann setzte er sich und schaute
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