Die Schwert-Legende
grundlos geschehen war.
Das Fenster war nicht geschlossen. Von der Bucht, nicht sichtbar für ihn, wehte der kühle Nachtwind. Er drang über die Kuppen der Berge hinweg, glitt durch die Täler und Canyons und erreichte auch das Gesicht des Kämpfers.
Yakup blieb stehen und wirkte wie jemand, der dem Wind nachlauschen wollte.
Er schaute in den nächtlichen Himmel, wo hell funkelnde Sterne ihm Grüße zuschickten, wo der Mond wie eine Gondel stand und wirkte, als hätte man sie aus der Schwärze herausgeschnitten.
Die Luft war klar in dieser Nacht, und sie war erfüllt von einem geheimnisvollen Raunen und Wispern, voll von einer Botschaft, die über weite Entfernungen getragen wurde.
Yakup überkam der Eindruck, als hätten sich ihm Welten geöffnet, als wären Grenzen zu anderen Dimensionen verschwunden, damit die metaphysischen Kräfte sich freie Bahn verschaffen konnten. Es war eine Nacht, die den sensiblen Menschen gehörte. Wo sie fühlten, tasteten, nach Botschaften aus dem All lauschten und wußten, daß die nicht faßbaren Dinge in die realen übergingen und sich zu einem Wirrwarr vereinigten.
Yakups Augen verengten sich. Er stand wie ein Denkmal vor dem Fenster und rührte sich nicht. Sein Blick streifte in die Weite des Himmels hinein, er spürte auf dem Rücken den gelinden Schauer und das Herzklopfen.
Da war etwas für ihn bestimmt. Nicht allein der Traum, es gab eine Sache, die er nicht erklären konnte, die jedoch vorhanden war. Möglicherweise eine Gefahr.
Yakup senkte den Kopf und schaute in die Gärten des Klosters hinein. Sie umgaben den Bau mit seinen alten wuchtigen Mauern wie eine schützende Landschaft. Die Ninja ernährten sich autark, das heißt, sie lebten von dem, was sie in ihren Gärten anbauten. Das Wasser der unterirdischen Quellen wurde in Gräben geleitet, zur Bewässerung der Felder.
Die Wege zwischen den Feldern wirkten wie mit dem Lineal gezogen. Hin und wieder bewegten sich dort Gestalten, die sich manchmal kaum von der Finsternis abhoben.
Es waren die Wächter, die um das Kloster herumpatrouillierten. Sicher konnten die Männer nie sein. Es hatte Banden gegeben, die das Kloster angegriffen hatten, gefährliche Kämpfe mit mörderischen Samurais und japanischen Yakuza-Killern, die sich zur Elite der ostasiatischen Mafia zählten.
In der letzten Zeit allerdings hatten sie Ruhe gegeben, so lagen relativ stille Monate hinter den Ninja.
Einer der Wächter erschien lautlos, als er um einen kleinen Vorbau herumging.
Er war bewaffnet. Aus seiner Nackenscheide schaute der Griff des Ninjaschwerts hervor. Im Gürtel steckten zwei Messer und in einer kleinen Tasche die Shuriken, die Wurfsterne, die nur von Meistern ihres Fachs beherrscht wurden.
Der Wächter blieb plötzlich stehen. Eigentlich hätte er seinen Weg fortsetzen müssen. Daß er nicht mehr weiterging, mußte einen Grund haben. Yakup, der alles beobachtete, spannte sich. Sein sportlich gestählter Körper wirkte plötzlich wie ein Drahtgeflecht, das jeden Augenblick zerreißen konnte.
Etwas kroch seinen Rücken hinab. Der Speichel sammelte sich in seinem Mund zu einer klebrigen Lache. Nicht grundlos war der Wächter stehengeblieben.
Ahnte er eine Gefahr?
Yakup wollte ihn schon ansprechen, als der Mann unter ihm weiterging. Jetzt mit noch vorsichtigeren Schritten und sich dabei immer wieder umschauend.
Aus seiner Höhe zischte Yakup dem Bruder etwas zu. Der hatte ihn schon beim erstenmal gehört. Er drehte sich auf der Stelle und schaute an der Klostermauer hoch, wo sich die Gestalt des Türken im offenen Fenster abmalte.
»Was hast du?«
Der Wächter breitete für einen Moment die Arme aus. »Ich weiß es nicht, Yakup, ich kann es nicht fassen. Etwas ist hier in der Nähe. Ich kann es nur fühlen.«
»Gefahr?«
»Vielleicht, doch ich hörte die Stimmen der Toten nicht.« Das Gesicht des Sprechers glänzte bleich im Mondlicht, als er in die Höhe schaute.
Yakup nickte ihm zu. »Ich werde zu dir herunter kommen. Warte auf mich!«
»Es ist gut.«
Yakup zog sich zurück. Er schaute auf die Uhr. Mitternacht war längst vorüber, die erste Morgenstunde ebenfalls. Noch lag die Nacht schweigend über dem Land, dennoch war sie erfüllt von Botschaften und einer nicht zu unterschätzenden Gefahr.
Während des Schlafs legte Yakup die Waffen ab. Nun nahm er sie wieder an sich.
Sein Schwert steckte er in die Nackenscheide, er hängte sich den Beutel mit den Shuriken um, verzichtete allerdings auf seine Messer und auch
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