Die Schwert-Legende
auf den Bogen.
Vorsichtig öffnete er die Zellentür — nichts anderes waren die Räume —und trat hinaus in den schmalen, kahlen Gang.
Am Ende des Ganges stand eine Gestalt. Hochaufgeschossen, aber noch jugendlich.
»Ich konnte nicht schlafen, Yakup, es tut mir leid.« Der Junge kam langsam näher und hob wie bedauernd die Schultern. Er gehörte zu Yakups besonderen Schützlingen. Ali stammte aus Nordafrika, war Waise und hatte sich entschlossen, bei Yakup zu bleiben, um von ihm ausgebildet zu werden. Gemeinsam hatten sie schon einige Gefahren überstanden. Ali war ein sehr gelehriger Schüler, sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Er hatte sich voll und ganz auf seine Aufgabe konzentriert, was Yakup sehr viel Freude bereitete.
»Weshalb kannst du nicht schlafen?«
Ali hob die Schultern. »Ich kann dir den Grund nicht nennen. Etwas ist anders in dieser Nacht.«
»Das spürte ich auch. Hattest du Träume?«
»Nicht direkt. Es war eine innere Unruhe vorhanden.« Sein Blick glitt über Yakups Waffen. »Du trägst das Schwert und auch die Wurfsterne? Sind Feinde in der Nähe?«
Der Ninja lächelte schwach. »Das weiß ich nicht, Ali, aber mir ging es fast wie dir. Nur habe ich Botschaften empfangen. Jemand schickte mir einen Wahrtraum.«
»Um was ging es?«
»Um das Schwert der Amaterasu. Um die Waffe, mit der wir Shimada vernichten können.«
Alis Augen glänzten. »Weißt du, wo es sich befindet?«
»Ja, im ewigen Eis. Dort habe ich es gesehen, wie es mit dem Griff aus einer Steinpyramide hervorragte. Es war ein Traum, der sich erfüllen wird, Ali. Davon bin ich überzeugt.«
»Willst du nicht die Krone mitnehmen?«
»Nein, mein Freund, so schlimm ist es nicht.«
Die Krone der Ninja war etwas Besonderes. Man konnte sie als eine Tarnkappe betrachten, denn wer sie trug, der schaffte es, sich unsichtbar zu machen.
Es hatte um die Krone wilde Kämpfe gegeben. Asmodis hatte sie ebenso besitzen wollen wie Shimada. Lachender dritter jedoch war schließlich Yakup gewesen, auch wenn ihn der Kampfeinen Finger gekostet hatte. An der linken Hand fehlte der kleine Finger.
»Soll ich mit dir gehen?«
Yakup lächelte. »Nicht nötig. Draußen werden genügend Freunde sein, die mir zur Seite stehen.«
»Gut, ich schaue vom Fenster aus zu. Und die anderen soll ich auch nicht warnen?«
»Bitte nicht. Laß sie schlafen. Sie haben ihre Nachtruhe verdient. Wenn es zu gefährlich wird, werde ich schon Alarm schlagen.«
»Ja, es ist gut.«
Yakup schob sich an Ali vorbei. Er ging bis zum Ende des Ganges durch und drehte sich dort nach rechts, wo die Stufen einer gewundenen Steintreppe in die Tiefe führten.
Es war nie dunkel im Kloster. An den Wänden brannten Talglichter. Sie gaben ihren beruhigenden Schein ab. Zwar wirkte das Kloster wie von der Außenwelt abgeschitten, elektrischen Strom gab es dennoch und auch ein Telefon, denn manchmal war es sehr wichtig, daß Yakup mit bestimmten Freunden Kontakt aufnehmen mußte. Und die wohnten zumeist in Übersee, wie in London.
Er schritt die Treppe hinab. Niemand kam ihm entgegen. In der großen Halle blieb er für einen Moment stehen und schaute sich um. Hier brannte kein Licht. Hinter den Fenstern lag die Dunkelheit der Nacht, hin und wieder unterbrochen vom Reflex eines Lichtfunkens, der von den Sternen stammen konnte.
Auch als Yakup durch die Halle ging, spürte er keine Gefahr. Es war wie immer. Eine dichte, nächtliche Stille lag zwischen den Wänden und schien sich an den dunklen Scheiben der Fenster festkrallen zu wollen. Yakup öffnete die Für. Er trat hinaus in die Kühle und in den frischen Wind, der ihn umschmeichelte.
Es war April; ein wunderschöner Frühling lag bereits hinter ihnen. Es hatte sogar sommerliche Temperaturen gegeben, in den letzten Tagen jedoch war es wieder abgekühlt.
Der Ninja dachte an seinen Traum. Wieder sah er die Steinpyramide inmitten des ewigen Eises und glaubte sogar, die eisige Kälte zu spüren, die von dieser Landschaft ausging.
Es war nicht die äußere Kälte, die bei ihm einen Schauer hinterließ, sondern die innere. Yakup fühlte sich nicht sehr wohl, keine Mauer schützte ihn mehr. Irgendwo in seiner Umgebung mußten sich die Gefahren verdichtet haben.
Yakup gehörte zu den Menschen, die sich lautlos bewegen konnten. Diese Fähigkeit wandte er jetzt an. Seine Schritte waren kaum zu hören, er schien zu schweben, als er dicht an der Mauer entlangging, um die Gärten zu erreichen, wo der Wachtposten auf ihn
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