Die Schwert-Legende
sah, mußte Furcht vorder Person mit den schwarzen Haaren und der ebenfalls schwarzen Halbmaske bekommen. Die Maske bedeckte die obere Hälfte ihres Gesichts und ließ nur die Schlitze für die beiden Augen frei, wobei die untere Gesichtshälfte so aussah wie immer, mit dem etwas breiten Mund und den geschwungenen Lippen.
Ich rückte etwas zur Seite, um Shao Platz zu schaffen. Auch für Suko, der es kaum fassen konnte, seine Partnerin wiederzusehen. Shao hatte nicht mehr bei ibm bleiben können, weil sie gebraucht wurde. Sie war in der langen Ahnenreihe der Sonnengöttin Amaterasu die letzte, und sie mußte sich bereitmachen, um gegen die Boten der Finsternis zu kämpfen. Gleichzeitig sah sie sich auch als Beschützerin der Sonnengöttin an und war deshalb in ihr Reich geholt worden. Suko und Shao fielen sich in die Arme. Ich sah, wie es in den Augen meines Freundes feucht glänzte. Er liebte diese Frau, sie liebte ihn, möglicherweise kamen sie wieder zusammen, wenn Shaos Aufgabe beendet war. Wann dieser Zeitpunkt ein trat, konnte niemand sagen. Ich hatte den Knopf gedrückt, der uns in die zehnte Etage brachte, wo unsere beiden Apartments lagen. Unterwegs stoppte der Lift zum Glück nicht, denn Shao bot in ihrem Aufzug schon ein fast filmreifes Bild. Es lag nicht allein an ihrer außergewöhnlichen Kleidung, auch die Waffe, mit der sie bestückt war, konnte man als ungewöhnlich bezeichnen. Eine gewaltige Armbrust, die an einem Riemen auf ihrem Rücken hing. Die dazugehörenden Pfeile befanden sich in einem Köcher und schauten über den Rand hervor.
Es war eine klassische Waffe, die aus Bügel, Sehne, Schaft, Bolzenrinne und Drücker bestand.
»Soll ich dich fragen, ob du bleibst?« erkundigte sich Suko mit Zitterstimme.
»Lieber nicht.«
»Du hast für dein Kommen also einen Grund gehabt?«
»So ist es.«
»Welchen?«
»Ich erzähle es euch später. Laß uns erst mal in unsere Wohnung gehen.« Daß sie unsere sagte, ließ Suko strahlen. Bewies es ihm doch, daß Shao die Partnerschaft nicht aufgegeben hatte.
Als der Lift stoppte, schob ich meinen Kopf durch den Spalt und schaute in den Gang. Es war nicht gut, wenn Shao gesehen wurde, doch der Flur war leer. »Ihr könnt…«
Shao und Suko verließen den Lift. Der Inspektor ging schon vor. Als er an mir vorbeihuschte, sah ich das erlösende Lächeln auf seinen Gesichtszügen.
Rasch schloß er die Tür auf. Schräg gegenüber verließ ebenfalls jemand die Wohnung.
Ein kleines Mädchen, das große Kulleraugen bekam. »Mann, wie siehst du den aus?«
Shao lächelte. »Gefällt es dir?«
»Nee.«
»Mir auch nicht.«
Die Kleine lief zurück in die Wohnung und rief nach ihrer Mutter.
»Mummy, du mußt mal kommen, bitte! Hier läuft eine Frau herum, die hat sich verkleidet.«
Die Mutter erschien sehr schnell. Nicht schnell genug, denn Shao und Suko waren bereits verschwunden, sie sah nur mich. »Wer oder was soll hier herumlaufen?«
»Nichts.«
»Aber meine Tochter sagte doch…«
Ich hob die Schultern. »Sie wissen ja, wie Kinder sind. Die bilden sich gern etwas ein.«
»Im Prinzip haben Sie recht. Trotzdem…« Kopfschüttelnd drehte sie sich um und verschwand.
Suko und Shao saßen wie ein junges Liebespaar auf der Couch, wobei er einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte. Beide waren froh und lächelten.
»Na?« fragte ich. »Alles klar? Darf ich euch etwas zu trinken bringen?«
Sie wollten Wasser. Das nahm ich auch und setzte mich den beiden gegenüber.
Da Suko keine Frage stellte, übernahm ich dies. »Aus Spaß bist du sicherlich nicht gekommen, oder?«
»Nein, John.« Shao nahm die Halbmaske ab und wischte über ihr feingeschnittenes Gesicht. Das Leder knarrte etwas, als sie sich vorbeugte. Jacke und Hose bestanden aus diesem Material. Die Füße steckten in weichen Schaftstiefeln.
»Amaterasu?«
»Auch. Tatsächlich aber geht es um das Kusanagino-tsurugi, das Schwert, welches Gras schneidet.«
»Hm!« dachte ich und hob die Schultern. Auch ein dummes Gesicht, denn Shao lachte leise.
»Kennst du es auch nicht, Suko?«
»Daß es ein Schwert ist, weiß ich inzwischen und möchte fragen, ob es das Schwert ist.«
»Ja, Suko, es ist das Schwert, mit dem Shimada besiegt werden kann. Eigentlich gehört es Amaterasu.«
»Dann ist ja alles kar.«
»Nichts ist klar. Das Schwert ist in Gefahr. Shimada hat sein Versteck herausgefunden, wie mir scheint. Er ist noch nicht hingekommen, aber er läßt es bewachen und verteidigen.«
»Wo können wir
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