Die Schwestern des Lichts - 3
Sicherheit. Und das war alles, was wirklich zählte. Alles andere versuchte er von sich fortzuhalten und nur noch daran zu denken. Der Gedanke erlaubte es ihm schließlich, ganz langsam in den Schlaf hinüberzugleiten.
19. Kapitel
Er öffnete die Augen. Die Sonne stieg gerade über den Horizont. Als er sich aufsetzte, nahm ihm der Schmerz seiner Brandwunde den Atem. Er legte die Hand auf sein Hemd, dort, wo der Verband saß, und ließ sie dort ruhen, bis die Schmerzen nachließen. Am ganzen Körper spürte er die Nachwirkungen des Strafers, als wäre er mit einem Prügel geschlagen worden. Alles tat ihm weh. Von damals, als Denna ihn mit dem Strafer ›ausgebildet‹ hatte, wußte er noch, daß er sich beim Aufwachen viel schlimmer gefühlt hatte – bis sie dann schließlich aufs neue mit dem Strafer auf ihn losgegangen war.
Schwester Verna saß im Schneidersitz auf ihrer Decke und beobachtete ihn kauend. Sie hatte sich ihren Umhang mit heruntergelassener Kapuze um die Schultern gelegt. Ihr lockiges, braunes Haar sah frisch gebürstet aus.
Sie hatte Richards Decke säuberlich gefaltet und neben seinen Schlafplatz gelegt. Sie erwähnte sie mit keinem Wort. Richard stemmte sich hoch. Er brauchte einen Augenblick, um sein Gleichgewicht zu finden, und streckte dann seine verkrampften Muskeln. Der wolkenlose Himmel hatte eine kalte, tiefblaue Farbe. Das Gras duftete süß und feucht vom Morgentau. Richards sichtbarer Atem wehte träge in der stillen, schneidend kalten Luft davon.
»Ich gehe die Pferde satteln, dann können wir aufbrechen.« »Willst du nichts essen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Hunger.«
»Was ist mit deinem Arm passiert?« fragte sie, ohne aufzusehen. Überall auf seinem Arm und auf seiner Hand klebte dunkles, getrocknetes Blut. »Ich habe mein Schwert poliert. Es war dunkel. Ich habe mich geschnitten. Es ist weiter nichts.«
»Verstehe.« Sie hob kurz den Kopf, als er sich die Stoppeln an seinem Kinn kratzte. »Hoffentlich bist du beim Rasieren vorsichtiger.«
In diesem Augenblick beschloß Richard, sich so lange nicht zu rasieren, wie er mit Hilfe des Halsrings gefangengehalten wurde. Es sollte seine Art sein, ihnen zu erklären, daß ein Halsring eine Ungerechtigkeit darstellte und daß er sich im klaren darüber war, daß er nichts weiter war als ihr Gefangener und er ihren falschen, gegenteiligen Beteuerungen keinen Glauben schenkte. Ein Halsring war durch nichts zu rechtfertigen, und an dieser grundlegenden Wahrheit gab es nichts zu rütteln – nichts, niemals.
Richard sah die Schwester finster an. »Gefangene rasieren sich nicht.« Er wandte sich den Pferden zu.
»Richard.« Er blickte über seine Schulter. »Setz dich.« Ihre Stimme klang sanft, trotzdem sah er sie wegen ihres Befehls wütend an. Sie zeigte auf seinen Platz direkt vor ihr. »Setz dich. Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast. Du bist hier, ich bin hier. Setz dich, und ich werde anfangen, dich in der Beherrschung der Gabe zu unterrichten.«
Das überraschte ihn. »Jetzt? Hier?«
»Ja. Komm her und setz dich.«
Im Grunde war er gar nicht darauf aus, die Gabe anzuwenden. Er konnte Magie nicht ausstehen. Er hatte vorher nur danach gefragt, weil er der Situation ein wenig ihre Spannung hatte nehmen wollen. Sein Blick schweifte hektisch umher, dann schließlich setzte er sich und schlug wie sie die Beine unter.
»Was soll ich tun?«
»Über die Anwendung der Gabe gibt es viel zu lernen. Du wirst etwas über die Ausgewogenheit der Dinge, vor allem der Magie, erfahren. Du mußt alle unsere Warnungen beachten und tun, was wir sagen. Die Anwendung von Magie birgt Gefahren. Vielleicht ist dir das schon vom Gebrauch des Schwertes der Wahrheit bekannt?« Richard rührte sich nicht. Sie fuhr fort. »Die Gefahren bei der Anwendung der Gabe sind größer. Sie kann zu unerwarteten Ergebnissen führen. Ergebnisse, die in einer Katastrophe enden können.«
»Ich habe die Gabe bereits angewendet. Ihr habt selbst gesagt, ich hätte sie auf dreierlei Art angewendet.«
Sie beugte sich ein wenig vor. »Und sieh doch, was passiert ist. Es hat zu einem unerwarteten Ergebnis geführt. Dem Ergebnis, daß du einen Halsring trägst.«
Richard sah sie überrascht an. »Das war doch nicht die Folge davon, daß ich die Gabe angewendet habe. Ihr wart bereits auf der Suche nach mir, das habt Ihr selbst gesagt. Hätte ich die Gabe nicht angewendet, wäre das Ergebnis das gleiche gewesen.«
Schwester Verna schüttelte
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