Die Schwestern des Lichts - 3
gesehen, sowohl gute wie auch böse. Er wußte, wie gefährlich es war, sie zu ignorieren.
Ihre Dogmen kamen ihm ebenso töricht vor wie der Aberglaube der Landbevölkerung im Kernland. Überall hatte er eine andere Geschichte darüber gehört, wie die Menschen entstanden waren. Jede entlegene Region, die er besucht hatte, besaß ihre eigene Version, wie der Mensch aus diesem oder jenem Tier, aus dieser oder jener Pflanze erschaffen worden war. Richard hatte den Geschichten gern gelauscht. Sie steckten voller Wunder und Magie. Doch suchten die Geschichtenerzähler mit ihren Mythen und Legenden nur zu begreifen, wie sich der Mensch in die Welt fügte. Richard war nicht bereit, die Dinge, die die Schwester ihm erzählt hatte, nur deshalb als wahr anzusehen, weil sie daran glaubte.
Er stellte sich den Schöpfer nicht wie einen König vor, der auf einem Thron saß und auf jedes armselige Gebet lauschte, das ihm zu Ohren kam. Seelen waren dagegen einmal selbst lebendig gewesen und verstanden die Bedürfnisse der Sterblichen, kannten die Nöte von lebendem Fleisch und Blut.
Zedd hatte ihm beigebracht, der Schöpfer sei nur ein anderer Name für die Kraft der Ausgewogenheit in allen Dingen – und kein weiser Mann, der über alles Gericht hielt.
Doch was spielte das für eine Rolle? Er wußte, daß Menschen an ihren Grundsätzen festhielten und in diesem Punkt sehr engstirnig waren. Schwester Verna glaubte, was sie eben glaubte, daran würde er nichts ändern können. Er hatte Menschen niemals ihren Glauben vorgehalten und wollte damit jetzt auch nicht anfangen. Ein solcher Glaube, ob er nun stimmte oder nicht, konnte ein Trost sein.
Er streifte den Gurt über seinen Kopf und hielt ihr das Schwert hin. »Ich habe über das nachgedacht, was Ihr vorhin gesagt habt. Ich habe mich entschieden, daß ich das Schwert nicht mehr will.«
Sie hob die Hände, und er legte das Schwert mit Scheide und Gurt in sie. hinein.
Sie zeigte keinerlei Regung. »Meinst du das wirklich ernst?«
Er nickte. »Ja. Ich bin damit fertig. Das Schwert gehört jetzt Euch.«
Er machte kehrt, um nach seinem Sattel zu sehen. Selbst ohne das Schwert an seiner Hüfte spürte er noch das kribbelnde Gefühl seiner Magie. Das Schwert konnte er aufgeben, doch seine Magie blieb ihm. Er war der wahre Sucher, und das konnte ihm niemand nehmen. Aber wenigstens konnte er sich von der Klinge trennen und damit von den Taten, die er damit beging.
»Du bist ein sehr gefährlicher Mann, Richard«, sagte sie leise.
Er sah zurück über seine Schulter. »Deshalb gebe ich Euch das Schwert. Ich will es nicht mehr, Ihr wollt es, also soll es Euch gehören. Jetzt werden wir sehen, wie es Euch gefällt, damit zu töten.«
Er zog das Ende des Sattelgurtes durch die Schnalle und zurrte es fest. Er versetzte Bonnie einen freundlichen Klaps, bevor er sich umdrehte. Schwester Verna hielt das Schwert noch immer in der ausgestreckten Hand.
»Bis jetzt hatte ich keine Vorstellung, wie gefährlich du bist.«
»Das ist vorbei. Jetzt habt Ihr das Schwert.«
»Ich kann es nicht annehmen«, sagte sie leise. »Es war meine Pflicht, dir das Schwert bei deiner Rückkehr abzunehmen – um dich auf die Probe zu stellen. Du hattest nur eine Möglichkeit, zu verhindern, daß du es verlierst. Und genau das hast du getan.« Sie hielt ihm das Schwert hin. »Kein Mann ist gefährlicher als der, der unberechenbar ist. Es gibt keine Möglichkeit vorherzusagen, wie du dich unter Druck verhalten wirst. Das wird großen Ärger bringen. Dir. Und uns.«
Richard wußte nicht, wovon sie sprach. »Was ist daran unberechenbar? Ihr wolltet das Schwert haben, und ich bin die Dinge leid, die ich damit tue, also habe ich es Euch überlassen.«
»Du glaubst, es zu verstehen, denn das ist deine Art zu denken. Andere denken nicht so. Du bist ein Rätsel. Schlimmer, dein unerklärliches Verhalten tritt auf, wenn du es am meisten brauchst. Das ist die Gabe. Du gebrauchst dein Han, ohne zu wissen, was du tust. Das ist gefährlich.«
»Ein Grund für den Halsring ist, daß er meinen Geist für die Gabe öffnen soll. Das habt Ihr selbst gesagt. Wenn ich die Gabe nutze – und das verlangt Ihr schließlich von mir – und ich eben das tun muß, dann sehe ich nicht, was daran gefährlich sein soll.«
»Was du tun mußt und was richtig ist, braucht nicht unbedingt dasselbe sein. Etwas zu wollen, heißt nicht, daß es auch richtig ist.« Sie deutete mit dem Kopf auf das Schwert. »Nimm es zurück. Ich kann es im
Weitere Kostenlose Bücher