Die Schwestern des Lichts - 3
bis jetzt gebraucht, um diese Chance zu erhalten. Eines Tages, vorausgesetzt, Verna arbeitet so hart wie ich, wird auch sie die Gelegenheit bekommen, eine Schwester des Lichts zu werden. Bis dahin ist Verna Novizin.«
Die Vorstellung, daß man Schwester Verna seinetwegen degradiert hatte, machte ihn wütend. Sie würde eine alte Frau sein, bis sie es endlich wieder zur Schwester gebracht hätte. Er wechselte das Thema. »Und warum dürfen wir uns frei bewegen?«
»Weil ihr für die Menschen keine Gefahr darstellt. Eines Tages wirst du gelernt haben, dein Han zu kontrollieren, dann wird man dir allmählich Einschränkungen auferlegen, bezüglich der Orte, die du besuchen darfst. Die Menschen in der Stadt fürchten sich vor Jungen, die ihre Macht benutzen können – in der Vergangenheit ist es zu unglücklichen Zwischenfällen gekommen –, daher wird ein Junge aus der Stadt verbannt, sobald er weiß, wie er sein Han handhaben kann. Während die Jungen zu Zauberern aufsteigen, werden ihnen immer weitere Einschränkungen auferlegt, bis ihre Bewegungsfreiheit schließlich gegen Ende, kurz vor ihrer Entlassung, auf bestimmte Bereiche des Palastes beschränkt wird.
Im Augenblick jedoch steht es dir frei, fast überall dort hinzugehen, wo du willst. Durch den Rada’Han werde ich die ganze Zeit über wissen, wo du dich aufhältst.«
»Soll das heißen, daß mich jede Schwester durch dieses verfluchte Ding finden kann?«
»Nein, nur die, die ihn dir gegeben hat, denn sie hat ihn in der Hand gehalten und kann seine Kraft erkennen. Und ich muß jederzeit wissen, wo du dich befindest, da ich für dich verantwortlich bin, ich werde also dafür sorgen müssen, daß mein Han das unverwechselbare Gefühl deines Han erkennt.«
Sie stieß die Tür auf und trat in das dunkle Zimmer. Mit einer ausholenden Armbewegung schossen Flammen aus den überall im Raum verteilten Lampen.
»Den Trick mußt du mir beibringen«, murmelte er.
»Das ist kein Trick. Das war einfach mein Han. Und das ist noch das einfachste von vielen Dingen, die ich dir beibringen werde.«
Die Decke des riesigen Raumes war rings um die Stuckverzierung mit einem feinen Muster aus verschiedenfarbigen Linien geschmückt. Die Wände waren mit Kirschholz in einer warmen Farbe getäfelt. Große, mit dicken, tiefblauen Moirévorhängen verhängte Fenster gingen hinaus in die Nacht. Es gab einen offenen Kamin mit einer weißen Säule auf jeder Seite. Der größte Teil des Holzfußbodens war mit dicken Teppichen bedeckt. Bequeme Stühle und Sofas standen überall im Raum sowie vor dem Kamin.
Richard war überzeugt, daß sein ganzes Haus zweimal in diesen Raum hineingepaßt hätte. Er ließ den Rucksack von seinem Rücken gleiten und lehnte ihn neben dem Kamin an die Wand. Den Köcher für die Pfeile und den unbespannten Bogen stellte er daneben ab.
Er ging nach rechts hinüber, zu einer Doppeltür aus kleinen Glasscheiben mit hauchfeinen, cremefarbenen Vorhängen. Hinter der Doppeltür befand sich ein weitläufiger Balkon, von dem aus man die Stadt überblikken konnte. Er berührte das Marmorgeländer mit den Fingern und blickte nach rechts, vorbei an der Stelle, zu den Hügeln hinüber, aus denen er gekommen war.
»Die Sonnenuntergänge sind wundervoll von diesem Balkon aus«, meinte Pasha.
Richard war nicht an Sonnenuntergängen interessiert. Er studierte den Innenhof unten, die Tore, die Straßen, die patrouillierenden Soldaten und die Brücken in die Stadt und die darunterliegenden Hügel. Er versuchte sich alles wie eine Karte einzuprägen.
Er ging zurück nach drinnen und marschierte ans andere Ende des Raumes, zu der dortigen Tür. Hinter ihr befand sich ein Schlafzimmer, das fast so groß war wie der erste Raum. Hier stand das größte Bett, das er je gesehen hatte. Eine tiefviolette Decke war darüber ausgebreitet. Ein weiteres Paar verglaster Türen führte auf einen zweiten Balkon, und dieser ging nach Süden, aufs Meer hinaus.
»Die Aussicht ist wundervoll«, meinte Pasha. »Romantisch.« Sie sah, daß er Teile des Palastes unten betrachtete. »Auf der anderen Seite des Innenhofes liegen einige der Frauenunterkünfte, wo sich die meisten Zimmer der Schwestern befinden.« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Du wirst dich von ihnen fernhalten, junger Mann!« Sie machte kehrt. »Es sei denn, eine Schwester bittet dich in ihr Zimmer«, fügte sie kaum hörbar hinzu.
»Wie soll ich dich nennen?« fragte er. »Schwester Pasha?«
Sie kicherte. »Nein. Ich
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