Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
gebunden war. Doch nun umarmte sie der Wind - der goldene, pollenreiche Geisterwind, den alle Menschen fürchteten. Der Luftstrom rauschte leise in den uns umgebenden Bäumen, doch von den kreisenden Gestalten über mir ertönte ein lieblicheres Lied.
Xitenith wankte. Sein dünner Hals zuckte, als er nach oben schaute. Ich sah, dass seine Fluggliedmaßen bebten und das düstere bunte Farbgeflacker auf seiner faltigen Haut kam und ging. Er - oder es - hatte sich einen Zeugen genannt, doch das Kireseth wirkte auch auf ihn. Nur gab es für ihn keinen Partner, keinen Gefährten, der die Metamorphose stimulierte und ihm die Freiheit des Himmels gab.
Das werbende Lied der beiden anderen wehte süß und traumhaft wie das Gold der Pollen durch die verzauberte Luft. Stimmen wie Doppelflöten verflochten sich in aufsteigenden Harmonien. Doch aus dem langen Hals des einen, den die Schwerkraft am Boden hielt, kam nur ein qualvolles Klagen.
Ich musste vor Mitgefühl weinen. Aber ich jämmerlich viergliedriges Lebewesen hätte nichts tun können, um sein Bedürfnis zu befriedigen. Ich empfand den ekstatischen Flug der beiden Geschöpfe über mir mit jedem Nerv und schlug mit den Fäusten auf das weiche Gras ein. Die Muskeln in meiner Brust und meinen Armen zuckten voller Mitgefühl, als würden auch mir gleich Schwingen wachsen. Mir fiel ein, wie es ist, wenn man liebt, und ich bedauerte jeden Tag, an dem ich die Tröstungen der Liebe zurückgewiesen und einem anderen, der dieses Bedürfnis empfand, Schmerz zugefügt hatte.
Doch immerhin wusste ich, was Erfüllung ist, so schwer es manchmal auch gewesen war. Für Xitenith gab es keine Erfüllung, es konnte keine geben. Erneut übertönte seine Agonie das triumphierende Lied seiner Gefährten. Dann wurde es still. Ich schaute furchtsam zu Boden und keuchte, denn sein gequälter Ruf hatte unglaublicherweise eine Antwort erfahren.
Zuerst wirkte die sich reckende Gestalt, die dem Xerasier gegenüberstand, menschlich, doch sobald ich mich bemühte, sie zu erkennen, veränderte sie sich. Ihr heller Körper spiegelte die Umwandlung, die Xiteniths Metamorphose nun endlich vollendete.
Von oben erstrahlte Musik. Ansth und Kalstith schraubten sich zum Himmel hinauf. Ihre blassen Gestalten leuchteten, als das Licht durch sie hindurchbrannte. Dann endlich vereinigten sie sich.
Als sie allmählich der Erde entgegenflatterten, stiegen Xitenith und der andere in den amethystfarbenen Himmel hinauf. Sie schwebten. Ihr Glanz war zu stark für meine Augen. Sie sangen, doch meine Ohren konnten den Gesang nicht ertragen. Vielleicht waren meine Filter auch nicht so gut, wie der Ausstatter mir versprochen hatte. Vielleicht war es das Kireseth, das mir diesen Anblick zeigte, denn meinem Bewusstsein fehlte die Kraft menschlicher Worte, ihn zu begrenzen, und ich wurde auf einem Sturm von Regenbogenschwingen davongetragen …«
Caitrins Stimme versagte. In der Stille hörte ich deutlich das Geräusch fallenden Wassers. Ich nahm an, es hatte damit zu tun, dass meine Wangen tränennass waren. Schnell wischte ich mir mit dem Ärmel über die Augen. Ich hätte Caitrin am liebsten fest in die Arme geschlossen, bis ich wieder anfing zu weinen. Ihre Lider waren noch geschlossen, ihr Gesichtsausdruck leer, als sei ihr Geist noch immer Meilen und Jahre entfernt.
Schließlich fand Kiera eine Möglichkeit, die Stille zu durchbrechen. Eine leichte Berührung brachte Caitrin zu uns zurück. Die Turmausbildung war ihr in manchen Dingen eindeutig von Nutzen, doch ich hätte am liebsten wie Xitenith geheult. Ich zwang mich, tief Luft zu holen und zu verstehen, warum ich so reagierte. Caitrin war seit vierzehn Jahren meine Geliebte. Was wollte ich sonst noch von ihr? Hast du mehr getan, als in den vergangenen paar Jahren mit ihr das Lager zu teilen?, erwiderte eine innere Stimme. Du wirst älter und befürchtest, dass die Liebe eingeschlafen ist.
»Es war ein Chieri, nicht wahr?«, fragte Kiera dann. »Ein Chieri, der sich verwandelt hat, damit auch Xitenith fliegen konnte.«
»Ich glaube, ja«, sagte Caitrin leise. »Falls es nicht doch ein Kireseth -Traum war.«
»Aber was ist aus ihnen geworden?«, fragte Kyla. »Sind sie nach der Paarung gestorben?«
Caitrin schüttelte sich kurz und schaute sich dann im Raum um.
»Ich nehme an, es hängt davon ab, was man unter Sterben versteht
… Als der Geisterwind abflaute und ich wieder bei Sinnen war, lagen die drei Xerasier regungslos im Gras. Ich konnte weder
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