Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
aus der Ferne sehr gut aus. Nach einigen Tagen konnte ich sie voneinander unterscheiden. Ansth und Kalstith waren kleiner. Der eine war schnell und zielstrebig, der andere ruhig und langsam. Xitenith war der größte, er ragte auf wie ein Hastur. Aus der Nähe betrachtet konnte ich mir, auch wenn sie die Umhänge nie ablegten, ungefähr ausmalen, wie ihre Gliedmaßen aussahen. Es dauerte eine Woche, bis es mir gelang, beim Frühstück nicht zu würgen. Andererseits war mir unablässig nach Singen zu Mute, wenn ich Xiteniths Augen sah. Es war schon sehr eigenartig.«
»Und wohin seid ihr gegangen?«, fragte Kiera. »Was wollten diese merkwürdigen Geschöpfe überhaupt auf unserer Welt?«
»Sie hatten mich angestellt, damit ich sie ins Kilghard-Gebirge brachte. Sie lebten wohl von Honig und Pollen, und ich nahm an, irgendein Reiseveranstalter aus Vainwall hätte sie mit dem Versprechen auf unsere Sommerblüten hergelockt. In diesem Jahr hatte die Saison spät und rasch eingesetzt, so dass alles, was blühen konnte, auch in voller Blüte stand. Ihr wisst ja, wie es manchmal ist, wenn die Luft duftet und jede Veränderung des Windes plötzlich einen anderen Geruch mit sich bringt.
Wir rasteten in den Bergen oberhalb von Armida. In der ersten Nacht drehte sich der Wind nach Norden, und es schneite ein wenig. Ich nahm zwar an, dass die Xerasier froren, aber keiner beklagte sich. Ich habe ein ordentliches Feuer entfacht und bemühte mich, die eigenartigen Konturen zu übersehen, welche die tanzenden Flammen enthüllten. In der Finsternis hätten die eingehüllten Gestalten neben mir alles Mögliche sein können.
›Ich bin so alt, dass ich weiß, dass mit der Zeit alle Dinge vergehen müssen‹, sagte Xitenith. ›Dies gilt auch für Unbehagen.‹
›Wie alt seid Ihr?‹, fragte ich.
›Ich habe mehr als fünfhundert Umdrehungen Xerasus’ um seine Sonne erlebt. Haltet Ihr mich für uralt? Selbst für mein Volk bin ich uralt. Alles vergeht - außer unserem Leben. Wir reifen über Jahrhunderte hinweg. Selbst unsere Nachfahren sind hundert Umdrehungen lang Kinder, die sich beim Aufwachsen von ihren Eltern ernähren. Allerdings fürchten wir allzu viel Betreuung, da diese nur Anziehungskraft erzeugt, und wenn man Leben spendet, endet das Leben. Nun nimmt unsere Zahl jedoch ab, da manche zwangsläufig Unfällen zum Opfer fallen. Früher haben wir darauf reagiert, indem wir mehr als einen Nachfahren ansetzten. Aber wir haben zu gut gelernt, den Tod zu bekämpfen. Jetzt erkennen viele derjenigen, die ihr Leben geben wollen, um die Spezies zu erneuern, dass sie es nicht mehr können.‹
Ich schüttelte mich, allerdings nicht wegen der Kälte. Xiteniths Stimme war zu ruhig. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, ich sähe die Ewigkeit, die sich vor mir ausstreckte. Sie war so karg wie die Wüste, welche die Trockenstädte umgibt, und so kalt wie die Mauer, die die Welt umschließt. Nun verstand ich, warum die Xerasier einander mit so unvoreingenommener Höflichkeit begegneten. Selbst jene, die sich in Hohen Häusern zusammengefunden hatten, waren nicht durch Liebe miteinander verbunden, sondern auf Grund von Pflichtgefühl, Logik und Loyalität. Wie würde das Leben wohl aussehen, wenn wir uns in den Gildenhäusern so behandeln würden?« Caitrin hielt inne und schaute sich im Raum um.
»Viel, viel friedlicher!«, rief eine jüngere Frau, die gerade eine schmerzliche Liebesaffäre hinter sich hatte. Mir fiel ein, wie ich damals gelitten hatte. Ich hatte befürchtet, Caitrin würde mich niemals lieben, und ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen oder traurig sein sollte, weil mein Leben nun so ruhig geworden war.
»Aber sicher auch langweiliger!«, erwiderte Doria, und sogar Kyla grinste.
»Ich war damals so jung wie Kiera und nicht annähernd so klug.«
Caitrin lächelte ihre Eidtochter an, dann bedachte sie mich mit einem unsicheren Blick. »Aber als ich Xitenith lauschte, wäre ich am liebsten nach Thendara zurückgelaufen, um mit euch zu lachen oder mich mit euch zu streiten! Doch ich blieb und sicherte die Zeltseile gegen den wechselhaften Wind. Wir wickelten uns in Decken und schliefen, und als wir am nächsten Morgen erwachten, hatte die Welt sich verändert.
Als ich aus meinen Decken kroch, erwärmte sich schon die Luft.
Das Morgenlicht schimmerte auf den Bergen, und auf jedem Fels glitzerte schmelzender Schnee. Als der Sonnenschein den feuchten Boden erwärmte, stieg in langsamen Wirbeln Dunst auf.
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