Die Seele der Elben
Magister. »Es muss ganz frisch sein, sonst kann ich es nicht verwenden.«
»Sie lagen in Eis und Stroh gepackt in unserem kältesten Keller«, erwiderte Chaantrea. »Ich bin deinen Anweisungen gefolgt, Magister. Sie waren ja deutlich genug und du hast sie auch oft genug wiederholt, danke!«
»Du scheinst nicht zu verstehen, wie wichtig es ist! Wenn der Zustand des ajja nicht makellos und frisch ist, wird das Werk zuverlässig misslingen!« Der Magister lieà wieder belehrend seinen Zeigefinger kreisen.
»Es ist frisch!«, fauchte Chaantrea. »So frisch, wie wir das verdammte Zeug eben halten konnten, bis du dich endlich hierher bequemt hast!«
»Der Zeitpunkt!« Der Magister kreischte fast. »Es kommt auf den Zeitpunkt an!«
DrauÃen schlug eine Tür gegen die Wand und schwere Schritte näherten sich. Der Elbe trat ein, gefolgt von zwei Orks, die einen groÃen Weidenkorb trugen. Lluigolf starrte sie ungläubig an. Der schlappohrige Ork, der den vorderen Traggriff des Korbes hielt, sah kurz in seine Richtung und blinzelte verlegen, ehe er wieder zu Boden sah.
»Stellt ihn hierher«, wies Chaantrea die Träger an. »Du, Ork! Ja du. Hierher habe ich gesagt!«
»Krummzahn«, murmelte Lluis. »Und Schielauge.« Er meinte, daraufhin ein unterdrücktes Schnaufen an seiner Seite zu hören, aber dort stand nur eine groÃe Truhe; nichts, was hätte schnaufen können.
Die beiden Orks trugen den Korb zum Tisch hinüber und warteten dann mit hängenden Armen.
»Nun geht schon«, sagte Chaantrea zu ihnen und dem Elben. Sie wandte sich wieder dem Magister zu. »Du kannst beginnen.«
Der Magier beugte sich über den Korb und hob den Deckel. Dann wühlte er darin herum. Lluigolf hörte Stroh knistern und sah, wie der Magier behutsam etwas ans Licht hob. Etwas Helles, Rundes, groà wie zwei Fäuste â einen Stein?
Rodemund hob den Stein an sein Ohr und schüttelte ihn sacht. Dann klopfte er mit dem Knöchel dagegen und brummte unzufrieden. Er legte den Stein beiseite und beugte sich wieder über den Korb. »Verdorben«, murmelte er. »Wahrscheinlich sind sie allesamt verdorben. Ach, was für ein Trauerspiel!«
Chaantrea, die an den Tisch gelehnt stand, trommelte mit den Fingern auf die Platte. »Nun?«, fragte sie.
Der Magister tauchte wieder empor, einen zweiten Stein in der Hand. »Dies hier könnte noch brauchbar sein«, sagte er. »Die anderen kannst du an deine Orks verfüttern.«
Eier , dachte Lluigolf. Sein Herz schlug schneller. Das sind Rieseneier von Riesenvögeln. Adlereier!
Der Magister klopfte und rieb an dem Ei herum und schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher«, sagte er. »Wir werden es einfach versuchen müssen.«
»Was heiÃt das?«, fragte Chaantrea scharf.
»Das heiÃt, dass wir es versuchen müssen«, gab der Magier nicht minder scharf zurück. »Wenn es noch frisch genug ist, wird der Zauber gelingen.«
»Und wenn es nicht frisch genug ist? Was ist dann?« Chaantreas Stimme überschlug sich, und sie hob die Hand, als wollte sie Rodemund schlagen.
»Wenn es verdorben ist, ist es verdorben! Ich kann doch nicht zaubern!«, brüllte der Magier. Er stand vor Chaantrea, die Haare gesträubt und hochrot im Gesicht.
Lluigolf zuckte zusammen. Da hatte unüberhörbar jemand gekichert, und zwar dicht neben seinem Knie, unter der Werkbank. Und auf seiner anderen Seite, hinter der groÃen Truhe, war ein Hüsteln erklungen.
»Hallo?«, hauchte Lluigolf. »Wer ist da?«
»Schsch«, machte die Truhe, und die Werkbank flüsterte: »Psst, alter Junge.«
Lluigolf atmete hastig aus. Glücklicherweise machte der Magister einen solchen Lärm, dass Chaantrea nicht aufmerksam wurde.
»Trurre?«, flüsterte Lluis so leise er konnte.
Die Werkbank antwortete nicht, aber Lluis fühlte eine Woge der Erleichterung. Er war nicht vollkommen alleine in diesem schrecklichen Keller. Natürlich war das Gefühl trügerisch, denn was sollte Trurre schon gegen eine unbekannte Anzahl Orks und Elben und einen ausgebildeten Zauberer ausrichten können. Und Lluigolf selbst fühlte sich wie zerschlagen und seine Hand war nutzlos. Er konnte es kaum mit einem der Elben aufnehmen, von den Orks ganz zu schweigen. Dennoch glomm ein winziges Fünkchen Hoffnung in ihm auf.
Chaantrea und der Magister
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