Die Seele des Feuers - 10
eigenmächtig versucht hätte, die Dominie Dirtch anzuschlagen, tief in ihrem Innern jedoch war sie froh, dass es die beiden hakenischen Frauen waren und nicht einer der Anderier.
Am Horizont schwenkte ein Reiter eine weiße, am Ende einer Stange oder Lanze befestigte Flagge. Beata wusste nicht, auf welche Entfernung die Dominie Dirtch zu töten imstande waren. Vielleicht wäre den Menschen dort draußen überhaupt nichts passiert, wenn Annette und Carine sie angeschlagen hätten. Nach dem Zwischenfall mit Turner hoffte sie jedoch nie wieder erleben zu müssen, wie sie angeschlagen wurde, solange sich Menschen davor befanden – es sei denn, sie griffen eindeutig an.
Beata beobachtete, wie die Truppen dort draußen an Ort und Stelle warteten, während sich nur einige Personen näherten. Das entsprach den Vorschriften, so hatte man es Beata und ihrem Trupp beigebracht. Die Leute mussten irgendeine Fahne schwenken, und wenn es viele waren, durften sich nur wenige nähern, um ihr Ansinnen vorzutragen.
Einige wenige Personen herankommen zu lassen barg keinerlei Risiko. Die Dominie Dirtch war imstande, einen Feind zu töten, selbst wenn er nur einen Schritt vor ihr stand. Wie weit sich Menschen ihr näherten, war im Grunde nicht von Belang – übrigens ebenso wenig wie ihre Zahl.
Vier Personen, zwei zu Fuß und zwei zu Pferd, lösten sich von den übrigen und ließen sie hinter sich zurück. Als sie näher kamen, erkannte sie, dass es zwei Männer und zwei Frauen waren. Ein Mann und eine Frau waren zu Pferd, das andere Paar ging zu Fuß. Die Frau auf dem Pferd hatte etwas an sich…
Als Beata begriff, um wen es sich ganz offensichtlich handelte, schien ihr Herz plötzlich bis zum Hals zu schlagen.
»Seht ihr?«, meinte Beata zu Carine und Annette. »Könnt ihr euch vorstellen, was passiert wäre, hättet ihr dieses Ding angeschlagen? Könnt ihr euch das auch nur annähernd vorstellen?«
Die beiden starrten offenen Mundes hinaus zu den Herankommenden. Beata zitterten die Knie bei der Vorstellung, was um ein Haar passiert wäre. Sie drehte sich um und drohte den beiden mit der Faust. »Schließt dieses Ding wieder fort. Und wagt bloß nicht, der Dominie Dirtch auch nur nahe zu kommen! Habt ihr verstanden?«
Die beiden salutierten. Beata wandte sich um und lief die Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinunter. Das hätte sie sich im Leben nicht träumen lassen!
Niemals hätte sie sich träumen lassen, der Mutter Konfessor persönlich zu begegnen. Offenen Mundes stand sie mit den anderen aus ihrem Trupp da, die neugierig hervorgekommen waren, als die Frau in dem langen weißen Kleid nach vorne ritt. Die Frau zu Fuß war schwanger. Der zu Fuß gehende Mann, links von der Mutter Konfessor, trug weite, unauffällige Kleidung. Er hatte ein Schwert bei sich, das er jedoch in der Scheide stecken ließ.
Der rechts von der Mutter Konfessor reitende Mann bot ein völlig anderes Bild. Einen solchen Mann hatte Beata noch nie zu Gesicht bekommen, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem goldenen Cape, das sich hinter ihm blähte. Der Anblick raubte ihr den Atem.
Beata überlegte, ob dies der Mann sein konnte, der dem Vernehmen nach die Mutter Konfessor heiraten sollte: Lord Rahl. Er sah zweifellos aus wie ein Lord und war so ziemlich der beeindruckendste Mann, den Beata je zu Gesicht bekommen hatte.
Beata rief den beiden oben auf der Plattform zu, sie sollten herunterkommen.
Die beiden Frauen eilten die Stufen herab, und Beata reihte sie in die Übrigen aus ihrem Trupp ein. Corporal Marie Fauvel, Estelle Ruffin und Emmeline standen rechts von Beata, die beiden von der Plattform stellten sich zu den drei anderischen Männern links von ihr. Sie nahmen in gerader Linie Aufstellung und beobachteten die vier Personen, die genau auf sie zuhielten.
Als die Mutter Konfessor abstieg, fielen Beata und ihr gesamter Trupp, ohne dass irgend jemand einen Befehl hätte geben müssen, auf die Knie und senkten das Haupt. Im Niederknien hatte Beata einen Blick auf das wunderschöne weiße Kleid und den langen, prächtigen Haarschopf der Mutter Konfessor erhascht. Haar wie dieses, so lang und von solcher Eleganz, hatte Beata noch nie gesehen. Sie war das dunkle anderische Haar gewöhnt oder das rote der Hakenier, daher war Haar, das honigbraun in der Sonne leuchtete, ein überaus seltener Anblick, der der Frau fast etwas Übermenschliches verlieh.
Beata war froh, dass sie ihren Kopf gesenkt hatte, so groß war ihre Angst, der Mutter
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