Die Seele des Feuers - 10
– vor seiner Untat – ein solches Gefühl der Ehrfurcht eingeflößt wie dieser Mann, Lord Rahl.
Es lag nicht allein an seiner Größe, an seinen breiten Schultern, an seinen durchdringenden grauen Augen oder seinem schwarz-goldenen Anzug mit dem breiten Gürtel und den golddurchwirkten Ledertaschen und den seltsamen Symbolen darauf – es war seine Gegenwart.
Er wirkte nicht korrekt und elegant wie die anderischen Beamten, wie Dalton Campbell oder der Minister für Kultur, stattdessen eher nobel, entschlossen und dabei gleichzeitig – gefährlich.
Tödlich.
Zwar war er durchaus freundlich und gut aussehend, trotzdem stand für sie außer Zweifel, dass sie allein von der Heftigkeit seines Blicks erschlagen werden konnte, sollte er sie jemals erzürnt aus diesen grauen Augen ansehen.
Wenn je ein Mann so ausgesehen hatte, als könnte er der Gemahl der Mutter Konfessor sein, dann dieser.
Die Schwangere kam die Stufen herauf, alles mit den Augen verschlingend. Auch diese dunkelhaarige Frau hatte etwas Nobles an sich. Sie und der andere Mann, beide dunkelhaarig, sahen aus wie Anderier. Sie trug das seltsamste Kleid, das Beata je gesehen hatte; überall an Armen und Schultern waren kleine bunte Stoffstreifen befestigt.
Beata streckte eine Hand aus. »Dies, Lord Rahl, ist die Dominie Dirtch.« Beata hätte gerne auch die Frau mit Namen angesprochen, doch der war ihr entfallen und fiel ihr beim besten Willen nicht mehr ein.
Lord Rahls Blick wanderte über die riesige, glockenförmige Waffe aus Stein.
»Sie wurde vor Tausenden von Jahren von den Hakeniern als gegen die Anderier gerichtete Mordwaffe erschaffen«, erläuterte Beata, »jetzt jedoch dient sie stattdessen dem Frieden.«
Die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt, unterzog Lord Rahl die unzähligen Tonnen Gesteins, aus denen die Dominie Dirtch bestand, einer eingehenden Untersuchung. Sein Blick erfasste jede Feinheit auf eine Weise, wie Beata noch niemanden sie hatte betrachten sehen. Fast erwartete sie, er würde zu ihr sprechen, und die Dominie Dirtch würde antworten.
»Und wie soll das möglich gewesen sein, Sergeant?«, fragte er, ohne sie anzusehen.
»Sir?«
Als er sich endlich zu ihr umdrehte, stockte ihr beim Anblick seiner grauen Augen der Atem.
»Nun, die Hakenier haben Anderith doch erobert, oder etwa nicht?«
Sie hatte Mühe, unter dem prüfenden Blick aus diesen Augen ein Wort hervorzubringen. »Ja, Sir.« Es war kaum mehr als ein Krächzen.
Er deutete mit dem Daumen nach hinten auf die steinerne Glocke. »Und diese Eindringlinge sind also mit den Dominie Dirtch auf den Rücken gebunden herangeritten gekommen, oder wie denkt Ihr darüber, Sergeant?«
Beata fingen die Knie an zu zittern. Wenn er ihr doch wenigstens keine Frage stellen würde. Wenn er sie einfach nur in Frieden lassen, weiter nach Fairfield reiten und mit den wichtigen Leuten dort sprechen würde, die eine Antwort auf diese Frage wussten.
»Sir?«
Lord Rahl drehte sich um und deutete auf die vor ihm in die Höhe ragenden Steine. »Diese Waffen wurden ganz offenkundig nicht hierhergebracht, Sergeant. Dafür sind sie zu groß. Und es sind zu viele. Sie müssen hier, an Ort und Stelle, errichtet worden sein, zweifellos mit Hilfe von Magie.«
»Aber als die hakenischen Mörder über dieses Land herfielen…«
»Sie sind nach außen gerichtet, Sergeant, auf etwaige Eindringlinge, nicht nach innen, auf das Volk der Anderier. Sie wurden eindeutig als Verteidigungswaffen erbaut.«
Beata musste schlucken. »Aber uns hat man beigebracht…« »Man hat Euch eine Lüge beigebracht.« Er wirkte entschieden unglücklich über das, was er hier sah. »Dies ist eindeutig eine Waffe zur Verteidigung.« Er spähte zu den Dominie Dirtch auf beiden Seiten hinüber und musterte sie mit einem kritischen Blick. »Sie funktionieren im Verbund. Sie wurden als Verteidigungslinie hier aufgestellt und waren niemals ein für den Angriff gedachtes Kriegsgerät.«
Wie er dies sagte, fast mit einem Ton des Bedauerns, hatte Beata keinesfalls den Eindruck, als wollte er jemanden kränken. Er schien einfach auszusprechen, was ihm in den Sinn kam, während er sich selbst klar darüber wurde.
»Aber die Hakenier…«, wandte Beata kaum lauter als ein Flüstern ein.
Lord Rahl wartete höflich ab, ob sie ein Argument vorzubringen hätte. Ihr drehte sich der Kopf vor verwirrenden Gedanken.
»Ich bin nicht sehr gebildet, Lord Rahl. Ich bin nur eine Hakenierin und von Natur aus verdorben.
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