Die Seele des Königs (German Edition)

verändern?«
    Dass sie zu Albträumen werden . Diesen letzten Satz musste sie nicht laut aussprechen.
    » Das wird nicht wieder passieren«, sagte ich. » Ich habe jetzt alles unter Kontrolle.«
    Ivy vermisste Justin und Ignacio noch immer. Ehrlich gesagt, ich vermisste sie auch.
    » Und … diese Jagd nach Sandra«, meinte Ivy. » Geht es dabei nur um deine Zuneigung zu ihr, oder steckt noch mehr dahinter?«
    » Was sollte das denn sein?«
    » Sie war diejenige, die dir beigebracht hat, deinen Verstand zu kontrollieren.« Ivy wandte den Blick ab. » Sag mir nicht, dass du nie darüber nachgedacht hast. Vielleicht hat sie noch weitere Geheimnisse. Eine … Heilmethode vielleicht.«
    » Sei nicht dumm«, sagte ich. » Mir gefällt es so, wie es ist.«
    Ivy sagte nichts darauf, aber ich konnte im Rückspiegel des Wagens sehen, wie Tobias mich anschaute. Mich beobachtete. Meine Aufrichtigkeit abschätzte.
    Ehrlich gesagt versuchte ich mich selbst abzuschätzen.
    Was nun folgte, war eine lange Fahrt in die Stadt, denn der Flughafen liegt ziemlich weit draußen. Dann kam eine hektische Fahrt durch die Straßen der zugleich uralten und doch modernen Stadt. Es geschah nichts Außergewöhnliches; lediglich hätten wir einmal beinahe einen Mann überfahren, der Oliven verkaufte. An unserem Zielort stiegen wir aus den Wagen und gingen unter in einem Meer aus plappernden Touristen und frommen Pilgern.
    Das Gebäude vor uns glich einer Schachtel und hatte eine alte, schmucklose Fassade mit zwei großen, bogenförmigen Fenstern in der Mauer über uns. » Das ist die Grabeskirche«, sagte Tobias. » Nach der Überlieferung steht sie an dem Ort, an dem Jesus von Nazareth gekreuzigt wurde, und sie umschließt ebenfalls die Stelle, wo nach einer der Legenden sein Grab lag. Diese wundersame Anlage bestand ursprünglich aus zwei Gebäuden, die im vierten Jahrhundert auf Anordnung Konstantins des Großen errichtet wurden. Sie ersetzten einen Tempel der Aphrodite, der an dieser Stelle etwa zweihundert Jahre gestanden hatte.«
    » Vielen Dank, Wikipedia«, knurrte J. C. und schulterte sein Sturmgewehr. Er trug seinen Kampfanzug. » Ob die Überlieferung korrekt ist«, fuhr Tobias fort und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, » und ob wir hier am tatsächlichen Ort der historischen Ereignisse stehen, ist umstritten. Obwohl die Überlieferung viele passende Erklärungen für die einzelnen Besonderheiten vorweist – zum Beispiel dass der Tempel der Aphrodite hier errichtet wurde, um die frühe christliche Verehrung dieses Ortes zu unterdrücken –, hat sich gezeigt, dass diese Kirche in der Hauptsache den Umrissen des heidnischen Tempels folgt. Die Tatsache, dass die Kirche innerhalb der Stadtmauern liegt, ist ebenfalls ein Anlass zum Streit, denn das Grab Jesu müsste eigentlich außerhalb der Stadt gelegen haben.«
    » Für uns ist es unwichtig, ob es authentisch ist oder nicht«, sagte ich und ging an Tobias vorbei. » Razon wird diesen Ort aufgesucht haben. Er ist einer der offensichtlichsten, wenn nicht der offensichtlichste zum Beginn seiner Suche. Monica, auf ein Wort, bitte.«
    Sie trat neben mich, während ihre Gorillas herauszufinden versuchten, ob wir Eintrittskarten brauchten oder nicht. Die Sicherheitsvorkehrungen schienen hier sehr streng zu sein – aber die Kirche liegt schließlich in der West Bank, und in letzter Zeit hatte es hier einige terroristische Angriffe gegeben.
    » Was wollen Sie?«, fragte Monica.
    » Spuckt die Kamera die Bilder sofort aus?«, fragte ich. » Liefert sie digitale Bilder?«
    » Nein. Es wird ein Film belichtet. Mittleres Format, keine digitalen Kopien. Razon hat darauf bestanden.«
    » Eine schwerere Frage: Sie begreifen doch bestimmt die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass man Bilder von dem Ort macht, an dem man steht, aber ein Ereignis aus der Vergangenheit erhält?«
    » Was meinen Sie damit?«
    » Nur das: Wir sind jetzt nicht an demselben Ort wie vor zweitausend Jahren. Der Planet bewegt sich weiter. Eines der theoretischen Probleme des Zeitreisens besteht darin, dass man sich vermutlich tief im Weltraum befinden würde, wenn man an dem Punkt, an dem man steht, hundert Jahre in die Vergangenheit zurückreisen würde. Selbst wenn man riesiges Glück haben und sich der Planet wieder an derselben Stelle im Orbit befinden sollte wie damals, folgt aus der Rotation der Erde, dass man irgendwo anders auf ihrer Oberfläche landet. Oder unter ihrer Oberfläche, oder auch