Die Seele des Königs (German Edition)
freundliche junge Frau von nicht ganz dreißig Jahren. Sie hatte eine gebräunte Haut und einen tiefroten Punkt auf der Stirn. Ihre Kleidung bestand aus roten und goldenen, ineinander verschlungenen Stoffen, und über der einen Schulter lag ein indischer Schal. Ich weiß nicht, wie man ihn nennt.
» Was ist denn das?«, meinte J. C. » He, Achmed, du hast doch nicht vor, das Flugzeug in die Luft zu jagen, oder?«
» Mein Name lautet Kalyani«, sagte sie. » Und ich werde ganz bestimmt nichts in die Luft jagen.«
» Oh«, meinte J. C. » Das ist enttäuschend.« Er lehnte sich zurück und schloss die Augen – oder zumindest tat er so. Das eine Auge hielt er einen Spaltweit offen und beobachtete Kalyani weiterhin.
» Warum behalten wir ihn?«, fragte Ivy. Sie war gerade aufgewacht und reckte und streckte sich.
» Ihr Kopf ruckt ständig vor und zurück«, sagte Monica. » Ich habe den Eindruck, dass mir das gesamte Gespräch entgeht.«
» Das stimmt«, sagte ich. » Monica, begrüßen Sie Kalyani. Sie ist ein neuer Aspekt und der Grund, warum wir diesen leeren Platz brauchten.«
Kalyani streckte Monica keck die Hand entgegen; auf ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen.
» Sie kann dich nicht sehen, Kalyani«, sagte ich.
» Ja, natürlich!« Kalyani hob beide Hände vor ihr Gesicht. » Es tut mir leid, Mister Steve. Ich bin noch so neu.«
» Es ist schon in Ordnung. Monica, Kalyani wird unsere Übersetzerin in Israel sein.«
» Ich bin Linguistin«, sagte Kalyani und verneigte sich.
» Übersetzerin …«, sagte Monica und warf einen Blick auf das Buch, das ich vorhin weggesteckt hatte. Es war ein Buch über hebräische Syntax und Grammatik und gleichzeitig ein Wörterbuch. » Sie haben gerade Hebräisch gelernt.«
» Nein«, sagte ich. » Ich habe nur die Seiten überflogen, damit ich einen Aspekt erschaffen kann, der es spricht. Ich habe keine Begabung für Sprachen.« Ich gähnte und fragte mich, ob auf diesem Flug noch genug Zeit blieb, um mir für Kalyani auch noch ein wenig Arabisch anzueignen.
» Beweisen Sie es«, sagte Monica.
Ich hob eine Braue und sah sie an.
» Ich muss es erleben«, sagte Monica. » Bitte.«
Mit einem Seufzen wandte ich mich an Kalyani. » Was heißt: ›Ich würde gern Hebräisch üben. Könnten Sie in Ihrer Sprache mit mir reden?‹«
» Hm … ›Ich würde gern Hebräisch üben‹ klingt etwas unbeholfen. Besser wäre: ›Ich würde gern mein Hebräisch verbessern.‹ Einverstanden?«
» Natürlich.«
» Ani rotzeh leshapher et ha’ivrit sheli «, sagte Kalyani.
» Das ist ein ganz schöner Zungenbrecher«, meinte ich. » Verflucht.«
» Sag so etwas nicht!«, rief Ivy.
» Es ist gar nicht so schwer, Mister Steve. Versuchen Sie es einmal. Ani rotzeh leshapher et ha’ivrit sheli. «
» Anni rotz Zeh les happer … et … hai …«, sagte ich.
» Oje«, meinte Kalyani. » Das ist … das ist wirklich schrecklich. Versuchen wir es mit einem Wort nach dem anderen.«
» Das klingt gut«, meinte ich und winkte eine der Stewardessen herbei, die die Sicherheitsbestimmungen zu Beginn des Fluges auf Hebräisch verkündet hatte.
Sie lächelte uns an. » Ja?«
» Äh …«, meinte ich.
» Ani «, sagte Kalyani geduldig.
» Ani«, wiederholte ich.
» Rotzeh .«
» Rotzeh …«
Es dauerte eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, aber am Ende konnte ich mich verständlich machen. Die Stewardess lobte mich sogar. Zum Glück war es viel leichter, ihre Worte ins Englische zu übertragen – Kalyani übersetzte simultan.
» Oh, Ihr Akzent ist schrecklich, Mister Steve«, sagte Kalyani, als die Stewardess weiterging. » Es ist mir so peinlich.«
» Wir werden noch daran arbeiten«, sagte ich. » Danke.«
Kalyani lächelte mich an, drückte mich kurz und versuchte auch Monica zu umarmen, die es aber nicht bemerkte. Schließlich nahm die Inderin auf dem Sitz neben Ivy Platz, und die beiden unterhielten sich sogleich freundlich miteinander, was für mich eine große Erleichterung war. Es macht mir das Leben einfacher, wenn meine Halluzinationen gut miteinander auskommen.
» Sie haben vorher schon Hebräisch gesprochen«, sagte Monica anklagend. » Sie konnten es, bevor wir losgeflogen sind, und die letzten Stunden haben Sie damit verbracht, Ihre Kenntnisse aufzufrischen.«
» Glauben Sie, was Sie wollen.«
» Aber das ist unmöglich «, fuhr sie fort. » Kein Mensch kann eine ihm völlig fremde Sprache in wenigen Stunden lernen.«
Ich machte mir nicht die Mühe,
Weitere Kostenlose Bücher