Die Seele des Königs (German Edition)
sich etwas. Der Schatten kam näher, trat ins Licht und stellte sich als massiger Troll heraus. Er stützte sich auf einen Stab, der so dick wie Siris’ Beine war, und trug einen Verband über den Augen. Weißes Haar fiel ihm über das Tiergesicht, das von tiefen, deutlich sichtbaren Runzeln durchzogen war – wie die Narben, die eine Axt an einem Baum hinterließ.
» Kuuth, wie ich annehme?«, fragte Siris und stand auf.
» Ja, großer Meister«, sagte die Bestie und machte ein paar schwerfällige Schritte nach vorn. Die anderen Teufler wichen vor ihr zurück, und ein jüngerer Troll eilte dem älteren mit besorgtem Blick zu Hilfe. Diese jüngere Bestie bewegte sich wie ein Tier, mit raschen Schritten, hielt dabei die Schnauze schnüffelnd in die Luft und hielt sich geduckt. Die ältere aber wirkte unerwartet kultiviert.
» Was ist eine Leerseele?«, wollte Siris von Kuuth wissen. Obwohl das Wesen vor Alter gebeugt war, maß es doch mindestens zehn Fuß. Kuuth trug eine seltsame Robe, die über der rechten Schulter ausgeschnitten war und dort eine schlimme Narbe enthüllte, die bis zum Hals hochlief.
» Es ist eine Seele ohne Leben, großer Meister«, erklärte der Troll. » Der Gottkönig hat diese Seelen in Gegenstände eingeflößt. Sie wissen etliches, können aber keine eigenen Entscheidungen treffen. Sie sind wie Kinder und müssen unterrichtet werden.«
» Wie brillante Kinder«, sagte Siris und zitterte. Hatte der Gottkönig tatsächlich die Seelen von Kindern benutzt, um diese Dinge zu erschaffen? In den Legenden hieß es, er nähre sich an den Seelen derjenigen, die ihm zum Opfer fielen. Siris rückte ein wenig von dem Spiegel ab. » Nun, vielleicht brauche ich die Hilfe dieses Dings gar nicht. Ich habe dich rufen lassen, weil ich hoffe, dass du mir einige Fragen beantworten kannst.«
» Das ist unwahrscheinlich, großer Meister«, sagte der alte Troll und hustete in seine hohle Hand. » Ich weiß zwar mehr als die meisten hier, aber auch ein Becher, in dem sich zwei Tropfen statt nur einem befinden, kann keinen Durst löschen.«
» Dann fange ich ganz einfach an«, sagte Siris und schritt die Stufen zum Thron hinunter. » Der Gottkönig hat von großen Übeln gesprochen. Und danach bin ich im Kerker einem Mann begegnet, der behauptet hat, mit mir verwandt zu sein. Er hat gesagt, dass jemand – oder etwas – Jagd auf mich machen würde. Gehe ich recht in der Annahme, dass sie damit die anderen Mitglieder des Pantheons meinten?«
» Vielleicht«, sagte Kuuth. » Ashimar, den Leidstifter. Lilendre, die Herrin des Endes. Terrovax, Faulers Sohn. Andere, deren Namen ich nicht kenne. Jeder und jede von ihnen wird erzürnt über das sein, was du getan hast.«
» Wie ich befürchtet hatte«, sagte Siris so laut, dass auch die anderen Teufler es hören konnten. » Ich brauche Verbündete, Troll. Hast du eine Ahnung, wo ich nach ihnen suchen könnte?«
» Meister«, sagte Kuuth; er klang verwirrt. » Dies sind keine Fragen, die ich Euch beantworten kann.«
» Bestimmt haben die Ewiglichen Feinde«, meinte Siris.
» Nun … ich vermute, einer von ihnen ist der Wirker der Geheimnisse.«
Er war ein Mythos, von dem sogar Siris schon gehört hatte. Er bezweifelte, dass es sich bei dem Wirker um eine real existierende Gestalt handelte, aber die Suche nach ihm wäre zumindest eine ausgezeichnete Möglichkeit, eine falsche Spur zu legen. » Wo kann ich diesen Wirker finden?«
» Er sitzt im Gefängnis«, sagte Kuuth. » Aber, Meister, ich weiß nicht, wo sich dieses befindet. Es heißt, dass niemand es weiß.«
» Aber es gibt doch bestimmt Gerüchte.«
» Es tut mir leid, Meister«, meinte Kuuth, » ich kenne keine.«
» Na gut. Dann will ich einen der anderen Ewiglichen angreifen. Einen, der sehr mächtig und gleichzeitig sehr grausam ist. Wen würdest du vorschlagen?«
» Meister? Das ist eine sehr seltsame Frage.«
» Ich stelle sie trotzdem.«
Kuuth runzelte die Stirn. » Ein Ewiglicher, der sich in der Nähe befindet und besonders mächtig ist … Vielleicht der Töter der Träume? Dazu müsst Ihr nach Norden reisen, den Ozean überqueren. Er gehört nicht zum Pantheon und war in der letzten Zeit unserem früheren Meister sehr feindlich gesinnt.«
Siris zog die Stirn kraus und setzte sich. Es gab Ewigliche, die nicht zum Pantheon gehörten?
Vielleicht habe ich einige von ihnen im Kerker getötet , dachte er. Aber da war noch Siris’ Verwandter. Siris war sich nicht mehr ganz sicher, was der
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