Die Seele des Ozeans (German Edition)
verwandeln.
Nach mehreren Tagen in menschlicher Gestalt war jedes Detail dieses Prozesses wie ein Feuerwerk der Gefühle, intensiv bis zur Schmerzgrenze. Begleitet von einem elektrisierenden Prickeln, verschmolzen seine Beine zu einem einzigen Körper und die Füße zu einem Klumpen, der sich nach und nach zur Fluke entfaltete. Es war pure Befreiung. Nein, mehr als das. Es fühlte sich fast so gut an wie diese gewaltige, atemberaubende Welle aus Glück und Befriedigung, die über ihn kam, wenn er sich mit Fae paarte.
Kjell ließ sich in den Genuss fallen, bis er spürte, dass diesmal noch mehr mit seinem Körper geschah. Die Verwandlung endete nicht, wo sie sonst endete. Stacheln wuchsen aus seinen Unterarmen, denen ähnlich, die sich auf seinem Rücken durch die Haut bohrten, aber ohne Membranen dazwischen. Seine Finger wurden noch länger, die Schwimmhäute dazwischen ausgeprägter. Als er einen Druck an seinen Schläfen spürte, griff er hoch und ertastete merkwürdige Auswüchse, drei auf jeder Seite. Auch sein Gesicht schien sich zu verformen, und ehe er wusste, wie ihm geschah, richtete er die Kamera auf sich selbst. Ein diffuser Schimmer war auf der gläsernen Linse zu sehen, viel zu undeutlich, um zu erkennen, wie er wirklich aussah.
Kjell drehte die Kamera wieder um und sah an sich hinab. Sein unterer Körper war noch leuchtender, noch weißer, die ovalen Schuppen hatten an Zahl zugenommen. Entlang der Rückenlinie des Fischleibs entdeckte er eine langgezogene, aufgestellte Flosse, die er zum ersten Mal an sich sah. Hatte es etwas mit seinem Tod zu tun? War er als etwas noch Fremdartigeres zurückgekommen?
Die Antwort war einfach und erschreckend.
Er war nie ein Geschöpf dieser Erde gewesen, aber jetzt war er es noch viel weniger. Er sollte nicht hier sein. Es war falsch. Die Erkenntnis war so klar, dass er sich für einen Augenblick nicht rühren konnte.
Lass los!, forderte die hungrige, wilde Stimme in ihm, und diesmal war sie so deutlich, als spräche ein reales Wesen die Worte in sein Ohr. S ie ist nur ein Mensch. Du weißt, dass du sie in der anderen Welt vergessen wirst. Früher oder später.
Kjell hasste sich für diesen Gedanken, kaum dass er in seinem Kopf entstanden war.
Nein! Sie stirbt, wenn ich gehe. Das lasse ich nicht zu. Außerdem will ich sie nicht vergessen. Ich will bei ihr sein.
Fast meinte er, ein höhnisches Lachen in seinem Kopf zu hören.
Dann wird es böse enden. Du stellst dich gegen dein Schicksal. Fae ist nichts von Bedeutung. Es ist viel wichtiger, nach Hause zu gehen. Hier bist du nur ein Geschöpf, das fremd und allein ist. Und das gejagt wird. Hast du vergessen, dass dir jemand fast das Herz herausgeschnitten hat? Die Menschen lechzen nach Unsterblichkeit. Sie verzehren sich danach. Dein Blut und dein Fleisch kann sie ihnen geben. Ein Grund mehr, in die andere Welt zu gehen.
Kjell presste eine Hand auf seine Stirn. Der andere wollte und wollte nicht verschwinden, nistete sich stattdessen wie ein Parasit in seinem Kopf ein.
Nicht ohne Fae. Niemals!
Dann muss sie sterben, gab die Stimme kalt zurück. Nur ihre Seele kann dir folgen, nicht ihr Körper.
Es war, als tobe eine Schlacht in seinem Schädel. Der andere wisperte und zischte, zerrte sein Denken hin und her, bis er nicht mehr wusste, was er überhaupt dachte und sein Geist sich in einen Strudel ohne Richtung verwandelte.
Hör auf zu denken. Schwimm weiter.
Kjell flüchtete in das endlose Blau, das sich in all seiner gewaltigen Weite vor ihm öffnete. Es war ungewohnt, mit solch einem sperrigen Ding zu schwimmen. Es machte ihn plump und langsam, aber ihm war ohnehin nicht danach, sich zu beeilen. Er vermisste Fae, hungerte nach ihrer Nähe und hatte doch das Bedürfnis, eine Zeit lang allein zu sein. Seine wirren Gedanken kamen nur langsam zur Ruhe. Es war ihm egal, ob es richtig oder falsch war – er wollte bei ihr sein.
Und bei ihr bleiben.
Langsam durchmaß er das flache Meer, strich über den sandigen Grund und drehte sich auf den Rücken, um das Flimmern und Tanzen der Oberfläche zu filmen, auf deren Wellen das Licht des verschleierten Tages glänzte.
Seine Rufe, die er aussandte, fanden eine Zeit lang keine Antwort. Die See blieb leer und leblos. Aber als er sich einer Felseninsel näherte, hörte er die Stimmen einiger alter Bekannter.
Neun Schwertwale.
Sie verhielten sich leise und schienen nicht gestört werden zu wollen, aber als Kjell sie freundlich darum bat, ihn willkommen zu heißen,
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