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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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dünnes, weißes Hemd?
    Vielleicht, raunte eine Erkenntnis, weil Kjell das Gleiche trägt? Du willst ihm so nah wie möglich sein. Gib’s zu.
    Sein Name lag ihr auf der Zunge. Sie wollte ihn hinausschreien, ihn flüstern und hauchen und seufzen.
    Kjell! Ich brauche dich.
    Aber Fae taumelte stumm durch die Dunkelheit. Sie überließ sich ihrer Ahnung, folgte den Klippen bis zur Ruine von Angus’ Haus und sah, dass niemand dort war. Keine helle Gestalt, die alten Erinnerungen nachhing. Die Arme fröstelnd um den Brustkorb geschlungen, kämpfte sie sich weiter voran. Allmählich wurde der Sturm zu stark, um gegen ihn anzukommen. Mit jedem Schritt, den sie vorwärtsging, schien er sie zwei zurück zu drücken.
    Ich bin verrückt. Total verrückt.
    Ja, verdammt. Na und?
    Es war, als bewege sie sich durch einen Drogenrausch. Hatte Kjell ihr das eingepflanzt? War es ihre Angst vor der Krankheit, ihr Hunger nach Leben? Oder einfach nur ihre Sehnsucht nach ihm? Nach seinem fremdartigen Anblick, seinem Geruch, seiner Nähe …
    Wäre ich so verrückt nach ihm, wenn er ein gewöhnlicher Mensch wäre?
    Fae rang nach Luft. All ihre Sinne versagten, einer nach dem anderen. Es war zu laut, zu kalt, zu wild. Keuchend taumelte sie weiter, nicht nach Hause, sondern weiter … immer weiter.
    In ihrem Kopf tobte Schmerz und Chaos.
    Ein Lachen überwältigte sie. Fae ließ es hinaus und spürte, wie der Sturm jeden Laut von ihren Lippen riss.
    Und dann sah sie es. Das helle, leuchtende Etwas dicht vor ihr. Es kauerte zwischen Grabsteinen, die tief im Sand einer Bucht eingebettet und so verwittert waren, dass ihre Ansammlung nicht mehr wie ein Friedhof aussah, sondern wie ein zufällig angespülter Haufen schiefer Steine.
    Fae sank vor Kjell in die Knie, packte seine Schultern und sah ihm ins Gesicht. Verzweiflung verzerrte seine Züge. Tropfnass hingen ihm die Haare in die Augen, von seinen leicht geöffneten Lippen flossen Regenrinnsale. Er trug nur noch die schwarze Hose, die sie ihm zwischen die Felsen gelegt hatte, und so strömte der Regen frei und ungehindert über die Haut seines nackten Oberkörpers.
    Haut, so leuchtend wie frisch gefallener Schnee.
    Verwirrende Muster schimmerten darauf. Blausilbern und unwirklich. Sprenkel und Streifen, die vor ihren Augen flirrten und tanzten. Sie sah seine Finger, die sich in den Sand gruben. Dazwischen spannten sich kaum sichtbare Häute. Kjell schüttelte ihren Griff ab, beugte sich vornüber und rang hustend nach Luft.
    „Was ist mit dir? Bitte rede mit mir!“
    Eine Weile starrte er ins Leere, zusammengekrümmt und zitternd. Dann fuhr er plötzlich hoch, schloss sie abrupt in seine Arme und drückte sie an sich.
    „Tut mir leid“, keuchte er. „Tut mir leid.“
    Er zitterte am ganzen Körper. Was war ihm nur geschehen? Sie küsste seine nassen, angespannten Schultern, grub ihre Nägel in die zuckenden Muskeln seines Rückens und schmeckte die salzige Bitterkeit des Regens. Auslaufende Wellen umspülten die Steine und ihre Beine, ihr Schaum roch nach Fäulnis und Befreiung. Nach Tod und Leben.
    Bitte, lass mich vergessen. Lass uns beide vergessen.
    Sie wollte nur das Jetzt. Diesen Augenblick.
    „Du solltest vorsichtiger sein“, raunte er an ihren Lippen. „Du kennst mich nicht.“
    Fae hauchte Küsse auf seine Brust. Seine Haut war glatt und kalt, schmeckte nach Sturm und Meeresschaum. „Bist du etwa gekommen, um meine Seele zu nehmen? Oder um mich zu ertränken?“
    „Vielleicht“, presste er mühsam hervor, während ihre Lippen höher wanderten und seinen Hals liebkosten.
    „Ah ja? Und warum hast du mir dann das Leben gerettet?“
    „Weil nichts so schön ist wie deine Seele. Nichts so stark. So heiß. So berauschend.“
    Fae verlor gänzlich die Kontrolle. Sie verschlang seine Lippen mit einem hemmungslosen Kuss, ließ ihre Hände über seinen nassen Körper gleiten und ertastete klaffende Schnitte über seinen Rippen. Zarte Auswüchse, beinahe wie nasse Federn, strichen über ihre Fingerspitzen. Kjell rang keuchend nach Luft.
    „Tut es weh?“
    „Nein“, raunte er zwischen zwei Küssen. „Oder doch? Hör nicht auf.“
    Sie streichelte über die Kiemen und stellte sich vor, wie er damit atmete, wie sie sich im Meer öffneten und schlossen, um Sauerstoff aus dem Wasser zu filtern.
    Zitternd glitten die Finger ihrer rechten Hand zu seiner Hose hinunter, während sie ihn mit der linken in den Sand drückte, zogen den Reißverschluss auf und streiften das störende

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