Die Seele des Ozeans
entgeht? Schimpft mich einen naiven Idioten, aber ich glaube immer noch an das Gute im Menschen. Sie würden uns zuhören. Sie würden erkennen, was falsch gelaufen ist. Und wenn erst mal das Licht der Öffentlichkeit auf uns gerichtet ist, wird niemand es wagen, Kjell etwas anzutun. Selbst, wenn sein Geheimnis ans Licht kommt. Sie können ihm nichts anhaben, wenn Millionen von Menschen da draußen ihn lieben und vergöttern. Es würde einen Aufstand geben.“
Fae schüttelte energisch den Kopf. „Tut mir leid, dass ich deinen Wunschtraum zerstöre, aber meiner Meinung nach sind die Menschen noch nicht bereit dafür.“
„Denke daran“, sagte Ukulele. „Alle Vorzeigedenker, die wirklich etwas verändern wollten und die Möglichkeit dazu hatten, wurden umgebracht oder sonst wie aus dem Weg geschafft. Es ist zu gefährlich, Alex. Wenn gewisse Mächte Profit wittern, wird die Meinung der Öffentlichkeit völlig belanglos.“
Alexander verschränkte die Arme vor der Brust, öffnete den Mund für eine Entgegnung und klappte ihn kurz darauf unverrichteter Dinge wieder zu. Nach und nach hefteten sich sämtliche Blicke auf Kjell, dessen Geistesabwesenheit sich in nervöse Anspannung verwandelt hatte. Seine Hände krallten sich in die Armstützen des Sessels, sein Atem ging mühsam und schwer. Fae sah blanke Angst in seinen Augen.
„Was ist los?“ Sie berührte ihn an der Wange und zuckte erschrocken zurück. Seine Haut war kalt wie Eis. So kalt wie gestern Abend am Hafen. „Geht es dir nicht gut? Kjell, sag was.“
Er antwortete nicht. Ein Beben durchlief seinen Körper, die Kälte wurde so frostig, dass sie wie ein feiner Nebel über Faes Haut kroch und selbst das Zimmer ausfüllte. Kjell begann zu zittern. Sein Atem wurde zu einem Keuchen, als er den Kopf in den Nacken legte.
Nein, viel eher sah es aus, als hätten ihn unsichtbare Hände gepackt und drückten ihn zurück. An seinem Hals sah Fae das Rasen des Pulses.
„Was ist mit ihm?“ Alexander griff nach Kjells Schulter. „Verdammt, du bist eiskalt. Alles klar, mein Freund? Tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe. Wir machen nichts, was du nicht willst.“
„Nein …“, kam es atemlos aus Kjells Mund. In seinem Blick lag nackte Panik. „Sie gehen nicht weg. Es sind zu viele.“
„Wer geht nicht weg?“ Alexander schüttelte ihn. „Wovon redest du?“
Kjell rang keuchend nach Luft und sprang so unvermittelt auf, dass Fae zurückstolperte. Die Luft im Raum war inzwischen so kalt, dass ihr Atem als dampfende Wolke entwich.
„Ich muss allein sein.“ Gehetzt huschte sein Blick hin und her. „Lauft mir nicht nach. Habt ihr verstanden?“
Fae brachte ein Nicken zustande, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, war Kjell verschwunden. Sie hörte seine schnellen Schritte, dann das Zuschlagen der Haustür. So plötzlich wie er gegangen war, wich auch die seltsame Kälte. Beinahe, als hätte er sie mit sich genommen.
Fae schaffte es nicht einmal bis zur Zimmertür, als Alexander sie am Hemd schnappte und zurückzog.
„Was soll das? Du hast gehört, was er gesagt hat. Er will allein sein.“
„Irgendetwas stimmte nicht“, fauchte sie. „Es ging ihm schlecht.“
„Ihr vergesst, dass er kein Mensch ist. Vielleicht braucht er Wasser. Stürme und hohe Wellen ist er gewohnt. Also lasst ihn allein, wenn er allein sein will.“
Fae entließ ein zorniges Knurren. „Plötzlich bist du besorgt um sein Wohl? Ich sehe nur noch Geldscheine in deinen Augen. Du wolltest dich an ihm bereichern. Du wolltest Ruhm und Ehre. Das Gerede von einer besseren Welt soll doch nur dein Gewissen beruhigen.“
Alexander zuckte getroffen zurück. Einen Moment lang starrte er sie an, dann senkte er den Blick und nickte. „Du hast recht. Es tut mir leid.“
Fae schnaubte. „Hast du gerade gesagt, ich habe recht?“
„So ist es.“
„Man höre und staune.“ Fae entkam ein spöttisches Lachen. „Hat mein unfehlbarer Bruder gerade einen Irrtum eingestanden?“
„Ja, verdammt. Aber nur, damit du es weißt: Einen Film machen wir trotzdem. Mir kam nämlich gerade eine andere Idee. Henry wird sämtliche Szenen, in denen Kjell zu sehen ist, fein säuberlich rausschneiden. Dann müssen wir zwar ohne seine Magie auskommen, haben aber immer noch grandiose Aufnahmen. Ukulele, du bestellst die beste Unterwasserkamera, die es momentan auf dem Markt gibt. Sie muss möglichst klein und handlich sein, ideal geeignet, damit unser Freund sie auf seine Ausflüge mitnehmen
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