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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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unaufhörlich wanderten und nirgendwo lange blieben, würde sie vielleicht einen Hauch von Frieden finden.
    Fae hob den Arm und hauchte einen Kuss auf die Perlen, die Kjell ihr vor unendlich langer Zeit geschenkt hatte. Im Geiste sah sie ihren Bruder, Ukulele, das Kind und sich selbst auf einem Segelschiff. Von einem frischen Wind getrieben, zog es schnell über das Wasser dahin. Ihr Sohn lag in dem Netz, das am Bug des Schiffes aufgespannt war, hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und schlief. Sonnenlicht schimmerte auf seiner hellen Haut. Sein Haar war nicht silbern wie das seines Vaters, seine Augen nicht unmenschlich hell. Fae sah schwarze Locken, wirr und weich. Dunkle Augen und menschliche Hände. Keine glasartigen Fingernägel, keinen silbernen Schimmer auf seiner Haut. Ja, ihr Sohn würde ein Mensch sein, und falls sie sich irrte, würde sie nicht zulassen, dass sein Erbe hervorkam.
    Wie soll ich etwas aufhalten, das so mächtig ist wie das Meer?
    Ich weiß es nicht, aber ich werde es versuchen.
    Fae ließ ihren Arm sinken und atmete tief durch. „Wann brechen wir auf?“
    „Wenn du möchtest, sobald wir gepackt haben.“
    „Gut.“ Sie schmiegte sich an ihren Bruder, schloss die Augen und lauschte dem Rauschen der Wellen. Das Meer brandete durch ihr Blut, der Sog der Gezeiten floss in ihren Gedanken. Sie konnte nicht vor dem fliehen, was zu ihr gehörte wie ihr Herz. So wenig, wie Kjell davor hatte fliehen können. „Dann bring mich weg von hier. Ich will dieses Haus nie wiedersehen.“
~ Gegenwart, August 2052 ~
    Kjell starrte auf das Buch.
    Kein „The End“. Kein Abschlusswort. Es hörte einfach auf. Lange starrte er vor sich hin, ohne in der Wirklichkeit anzukommen.
    Bei Gott, wenn er gewusst hätte …
    Frustriert klappte er das Buch zu und drehte es geraume Zeit hin und her. Die Küchenuhr sagte ihm, dass in einer halben Stunde die Sonne aufgehen würde. Hatte er wirklich die ganze Nacht durchgelesen? Die Zeit kam ihm so kurz vor, und zugleich endlos lang. Verwirrt legte er das Buch beiseite und massierte sich die Schläfen. Alles tat ihm weh, körperlich wie geistig. Kjell und Fae hatten ein solches Ende nicht verdient. Es war deprimierend, es machte ihn wütend, und es traf ihn viel zu heftig.
    „Verdammt!“, fluchte er. „Es ist nur ein Buch. Nur ein stinknormales Buch. Komm wieder runter.“
    Kjell zog die Beine an seinen Körper und legte die Arme um die Knie. In seinem Rücken bollerte warm der Ofen. Er hörte das Holz knistern, die Uhr ticken, die ersten Möwen schreien. Es roch noch immer nach dem Vanillegrießbrei, den seine Mutter ihm gekocht hatte. Verrückt. Er sah die leere Schüssel auf dem Tisch, aber er konnte sich nicht daran erinnern, ihren Inhalt gegessen zu haben. Es musste irgendwie nebenbei passiert sein, während er gemeinsam mit Fae um Kjell gebangt hatte, oder während er sehnlichst gefleht hatte, Breac würde sie niemals finden. Beklommen befühlte er die weiche Stelle unterhalb des Rippenbogens.
    Nein, ich werde jetzt nicht empathisch. Ich versuche nicht, mir auszumalen, wie es sich anfühlt, wenn sich ein Messer dort hineinbohrt.
    Aber es war zu spät. Kjell spürte den Stich, das Schneiden und das Reißen, keuchte auf und sprang von der Ofenbank. Zum Teufel mit seiner Fantasie. Sie war zu nichts nutze und vernebelte ihm nur das Gehirn.
    Wach auf! Komm schon!
    Er stolperte, sein Knie stieß gegen ein Tischbein und brachte die Schüssel zum Klirren. Verflucht, wo war er mit seinen Gedanken? Und wo war Fae? Vermutlich schlief sie. Immerhin wurde es gerade erst hell. Benommen ging er nach oben, zog einen schwarzen Wollpullover über, stellte sich vor den Spiegel und fuhr sich durch die Haare.
    Hallo, lebende Leiche. Heute sind wir aber besonders blass.
    Nein, seine Augen waren nicht mehr blau. Sie waren schwarz. Kohlrabenschwarz. Kjell blinzelte. Wenn er genau hinsah … waren da nicht silbrige Flecken? Wie metallisch glitzernder Staub?
    Unsinn. Er konnte Realität immer noch sehr gut von Fiktion unterscheiden, und doch verknotete sich das flaue Gefühl in seinem Magen zu einer beklemmenden Gewissheit, als er das Haus verließ und in den frischen Wind trat.
    Was er gelesen hatte, war nicht einfach nur eine Geschichte. Es war viel mehr. Das meiste mochte der Fantasie seiner Mutter entstammen, aber sie hatte Geheimnisse darin verarbeitet. Ein paar wahre Mysterien ihres Lebens, verpackt in märchenhafte Metaphern.
    Wo fing Fiktion an und hörte die Wahrheit

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