Die Seele des Ozeans
zu Boden, zerrissen von scharfen Zähnen.
Der scharfe Geschmack nach Blut und Panik drang durch Kjells Haut. Bevor der Wal zusammen mit seiner Beute auftauchte, schwamm er so dicht an den Felsen entlang, dass die scharfen Kanten den Körper des Tintenfischs zerfetzten. Die Tentakel erschlafften, aber noch war das Opfer nicht tot. In gemütlicher Manier strebte der Pottwal hinauf zur Oberfläche. Während sein Körper keine Mühe hatte, sich den veränderten Bedingungen des Oberflächenwassers anzupassen, starb der Kalmar im Maul seines Jägers einen langsamen Tod. Kjell würgte an dem Kloß in seinem Hals. Mitleid war im Meer nicht angebracht. Überall wurde gefressen und gestorben, er selbst hatte schon vor langem seine Algen- und Tangernährung um alles ergänzt, was er fangen konnte. Und doch kam er nicht dagegen an.
Seite an Seite mit dem Wal strebte er der erwachenden Morgendämmerung entgegen, die wie ein bleicher Nebel über ihnen schimmerte, und er war froh, als das Kalmarweibchen endlich starb.
War es der spürbare Hauch des Todes, der den verrückten Entschluss in ihm weckte? Wurde er einfach nur unvernünftig und leichtsinnig? Egal, was es war, heute würde er es tun. Er würde zu der Frau gehen und mit ihr sprechen. Wenn sie ihn abscheulich fand – gut, in ein paar Tagen war er ohnehin weit weg. Und wenn nicht? Was hatte er dann?
Während der Pottwal dicht unter der Oberfläche den Kalmar verschlang, kehrte Kjell zurück zu jenem Strand, an dem sich Faes Haus befand. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ihr Bruder und seine Freunde den Wagen beluden. Dieses knatternde Ding, in das sich Menschen mit Vorliebe setzten, um an Land herumzurasen. Verborgen hinter einem Felsen beobachtete er das Treiben. Da war sie. Die schöne, dem Tod geweihte Menschenfrau. Fasziniert betrachtete er ihren zarten Körper, der unter einer Decke fröstelte. Ihr Haar wehte im Morgenwind. Selbst aus der Entfernung spürte er ihre Traurigkeit.
„Morgen“, hörte er ihren Bruder sagen. „Versprochen. Heute wäre es zu anstrengend.“ Sie nickte ergeben, und ihr Lächeln, hinter dem sie ihre Gefühle versteckte, wärmte sein Herz. Als die drei Männer in den Wagen stiegen und davonbrausten, wurde die verrückte Idee noch verlockender. Die Frau stellte keine Gefahr dar. Sie war schwach, er war stark. Es wurde Zeit, die Schatten der Vergangenheit loszulassen.
Seine Lungen füllten sich unter Schmerzen mit Luft, die Kiemen stellten ihre Arbeit ein und schlossen sich. Kribbelnd verwandelte sich sein Fischleib in zwei Beine, Schuppen wurden zu Haut, Klauen zu menschlichen Fingern. Als letztes verblasste das Silber seines Körpers zu einem stumpfen Farbton, der an alte Knochen erinnerte.
Sein Herzschlag beschleunigte sich zu einem menschlichen Rhythmus, in seinem Bauch erwachte ein sonderbares Gefühl, das er lange nicht mehr gespürt hatte. War das Angst? Dieses schreckliche, Übelkeit erregende Gefühl? Ja, und doch wieder nicht, denn es fühlte sich anders an. Lebendiger. Besser. Nicht dumpf und taub wie das, was er damals gefühlt hatte.
Kjell zwang es nieder und schwamm auf den Strand zu. Seine Instinkte protestierten, als er dem Wasser entstieg und in geduckter Haltung auf das Haus zuschlich. Was tat er hier nur? Hatte er den Verstand verloren? Gut möglich, dass die Männer zurückkehrten, und was dann?
Die Gefühle der Frau strömten ihm entgegen, so verlockend, dass er wie von selbst einen Schritt vor den anderen setzte und alle Bedenken beiseiteschob. Er musste sie sehen, und sie musste ihn sehen. Er wollte sein Abbild in ihren Augen erkennen und ihre Stimme hören. Ihre Stimme, die allein ihm galt. Die ihm sagte, dass er wirklich war und nicht nur ein Geist.
Kjell schlich durch den Sand der Dünen, erreichte das Haus und streifte mit seinen Fingern die steinernen Wände. Dort hinten, keine zehn Schritte entfernt, hing das, was er brauchte.
Menschliche Kleidung.
~ Fae ~
Sie nahm den verflüssigten Schokoriegel aus der Mikrowelle, setzte sich auf die Küchenanrichte und ließ die Beine baumeln. Es gab nichts, was so gut gegen Nervosität half wie warme Schokolade mit Erdnussstückchen und Karamell. Genüsslich legte sie den Kopf in den Nacken und quetschte den Inhalt des Riegels aus seiner Papierverpackung, was Rembrandt sehnsüchtig verfolgte.
Fae hielt ihm die leere, verschmierte Verpackung hin. Die Zunge des Katers leistete ganze Arbeit. Sicher war das Zeug nicht gesund, weder für ihn noch für sie, doch
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