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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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auf der Spitze des Felsens, dachte er wieder an die Frau. Elender Knurrhahn!
    Ohne diese Hitze in seinen Eingeweiden war es ihm besser ergangen. Er war ein Teil des Ozeans gewesen, kalt und gleichgültig wie die Tiefe, aber jetzt saß er hier, starrte auf das ferne Land und fühlte sich einsam.
    Beim Schlund des Pelikanaals, wurde er etwa krank? Die Frau war ein kurzlebiger Mensch. Ein Feind. Warum erwartete er, sie könnte ihm schöne Erinnerungen schenken? Je länger er seine Reise in das arktische Meer hinausschob, umso schwerer würde ihm der Abschied fallen. Er musste seine Gefühle kontrollieren, sonst geschah das, wovor Angus ihn zahllose Male gewarnt hatte.
    Mondlicht fiel auf das Meer, als der Sturm die Wolken erneut aufriss. Aus der Tiefe drangen Klicklaute herauf und vibrierten in Kjells Gehirn. Er beantwortete sie mit derselben Frequenz, stand auf und wandte sich gegen den stürmischen Wind, der das Salzwasser auf seiner Haut trocknete. Ein wenig linderte es das Brennen in seinem Geist. Das Gesicht der Frau verblasste, ebenso die Erinnerung daran, wie warm ihr Körper gewesen war und wie weich ihre Lippen.
    Aus dem Wasser tauchte ein gewaltiger, im Mondlicht glänzender Kopf auf. Er durchbrach die Oberfläche, stieg höher und höher, gefolgt von einem dunkelgrauen Körper, der über Kjell hinauswuchs wie eine lebende Insel. Im schneeweißen, weit geöffneten Maul des Pottwals blitzten Zähne, jeder so lang wie seine Hand.
    Emotionen wehten durch Kjells Geist. Der Wal wollte zurückkehren in die Tiefe und lud ihn ein, seine Jagd zu begleiten.
    Ja, das war eine gute Ablenkung. Wind und Kälte genügten nicht, seine Gedanken zu beruhigen. Vielleicht würde es die dunkle Stille der Tiefsee schaffen. Kjell breitete die Arme aus und sprang. Dicht neben dem Wal tauchte er ins Wasser ein, spürte kitzelnde Luftblasen über seinen Körper perlen und verwandelte sich, noch ehe sein Freund ihm die Schwanzflosse entgegenstrecken konnte. Nirgendwo war die Anwesenheit von verlorenen Seelen zu spüren. Frei und gefahrlos öffnete sich das Meer vor ihm.
    Als sie zügig abwärts strebten, wurde das ohnehin finstere Wasser so schwarz, dass Kjells Augen keinerlei Lichtquelle mehr ausmachen konnten. Aber im Laufe der Jahre hatte er von den Meeressäugern gelernt, anders zu sehen.
    In regelmäßigen Abständen sandte er Klicklaute aus, deren Echo ihm den flach abfallenden Meeresgrund zeigte. Nur wenige Tiere begegneten ihnen. Die Fischschwärme hatten Schutz in den küstennahen Tangwäldern gesucht, die großen Räuber schienen anderswo ihr Glück zu versuchen. Nur ein Riesenmaulhai zog mit weit geöffnetem Schlund an ihnen vorbei und gönnte ihnen einen Augenblick gelangweilter Aufmerksamkeit.
    Bald fiel der Meeresboden steiler ab, wurde rauer und zerklüfteter, bis er in einen gewaltigen Abgrund hinunterstürzte. Der Pottwal drehte sich, um wie eine Lanze senkrecht durch das Wasser zu gleiten, dicht entlang der steilen Klippen.
    In schnellen Abfolgen erschuf sich Kjell ein vertontes Bild seiner Umgebung. Bunt leuchtende Rippenquallen taumelten an ihm vorbei und boten dem Auge inmitten der Schwärze eine willkommene Zuflucht. Je tiefer sie kamen und je einschläfernder die Kälte seinen Körper umschloss, umso ruhiger wurde sein wirrer Geist. Alles Menschliche blieb in seichteren Gefilden zurück, selbst die Gedanken an die Frau waren erholsam unwirklich.
    Als der Tiefseeboden unter ihnen auftauchte, trennten sich ihre Wege. Der Wal strebte in die Ebene hinaus, während Kjell in der Nähe der Klippen blieb. Klicklaute durchzuckten mit unangenehmer Schärfe seine Wahrnehmung, stark genug, um jedes Lebewesen zu betäuben, das sich in die Nähe des Pottwals wagte.
    Eine Weile schwebte er über dem Schlick und verlangsamte seinen Herzschlag. Er trank die Ruhe finsterer Stille, fiel in einen Zustand, der weder Schlaf noch Wachen war und lieferte sich der Schwerelosigkeit aus. Vermutlich hätten Jahrhunderte vorbeiströmen können, ohne dass es ihm etwas bedeutet hätte. Gäbe er dem Sog des Tiefenrauschs nach, würde er wohl irgendwann an die Oberfläche zurückkehren und eine veränderte Welt vorfinden. Kein schöner Gedanke. Die Meere waren schon jetzt zu voll, zu laut und zu gefährlich. Wohin er auch schwamm, traf er auf Menschen. Inzwischen waren sie überall, und wenn er sie nicht sah, hörte und roch er sie. Selbst hier unten.
    Alle Empfindungen flossen dahin, wurden zäher und zäher, bis sie stillstanden. Wenn er es

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