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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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halluzinierte. Fünf Joints hintereinander waren zu viel gewesen.
    „Was soll das?“ Faes Gesicht war tränennass. Sie schmiegte ihre Wange an die Brust des Wesens, als sei es ihr Liebhaber, und machte keinerlei Anstalten, von ihm zurückzuweichen. „Schon mal was von guten Manieren gehört?“
    „Was?“, brachte er nur hervor.
    Es war der Kerl mit den Schuppen. Der Kerl mit der Flosse.
    Alexander wäre umgefallen, hätte ihn der Türrahmen in seinem Rücken nicht aufgefangen. Taumelnd umklammerte er die Kante.
    Kristallhelle Augen blickten ihn an, so widerwärtig unmenschlich mit ihrer Farbe und ihrem Glanz, dass es ihm die Haare aufstellte.
    Plötzlich begriff er.
    Er halluzinierte nicht. Fünf Joints waren nicht zu viel gewesen. Das Video war echt. Alles, was darauf zu sehen war, war echt. Auf der Haut des Fremden, die der hochgerutschte Ärmel des Hemdes entblößte, glänzten kleine Schuppen wie Silbertropfen. Schuppen! Und dieses Fischding klebte an seiner Schwester wie eine Zecke!
    Alexander knallte die Tür zu und taumelte die Treppe hinab. Bis er in den Technikraum zurückgekehrt war, schwanden ihm zweimal die Sinne. Letztendlich wusste er nicht mehr, wie er hierher gekommen war. Irgendwann blinzelte er und war umringt von Kartons, Kisten und Bildschirmen.
    „Was hat sie gesagt?“, fragte Henry.
    „Ja, was hat sie gesagt?“, echote Ukulele.
    Alexander griff nach dem nächstbesten Drehstuhl. Er zitterte derart, dass seine Zähne laut klappernd aufeinanderschlugen. Oh Gott, er hatte seine Schwester mit dem Fischding allein gelassen. Er war einfach abgehauen. Vermutlich war diese Kreatur gerade dabei, ihre Seele zu fressen. Die Seele seiner todkranken, kleinen Schwester!
    „Dieser Mistkerl!“ Er hätte nicht abhauen dürfen. Was war er für ein jämmerlicher Feigling? „Ich bringe ihn um!“
    „Was?“, fragte Henry. „Mistkerl? Wen willst du killen?“
    „Dieser … dieser …“ Sein Blutdruck schoss in astronomische Höhe.
    Ihm wurde schwindlig, in seinem Gehirn kribbelte es, als wäre es an eine Autobatterie angeschlossen. Gleich würde sein Kopf platzen oder sein Herz stehenbleiben.
    „Der Typ mit dem Schwanz ist da oben. Er legt gerade Fae flach.“
    Henry und Ukulele starrten ihn an. Sie glaubten ihm nicht. Egal. Er musste Fae vor dieser Kreatur beschützen. Koste es, was es wolle.
    In dem Augenblick, da er herumfuhr und loslaufen wollte, öffnete sich die Tür. Zwei Gestalten traten in das Zimmer, eine davon füllte die Dämmerung des Zimmers mit überirdischem Schimmer.
    Weiße Haut, silberne Haare und … Schuppen.
    Alexander spürte, dass sein Mund offen stand, aber er schaffte es nicht, ihn zuzuklappen. Dieser Schimmer war nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar, wie ein samtiges Prickeln und Glühen, das in seinen Körper eindrang.
    „Weg von meiner Schwester! Du fasst sie nicht nochmal an.“
    Der Mann – nein, das Ding – betrachtete ihn mit einem widerwärtig ruhigen Blick. Aber Alexander ließ sich nicht täuschen, denn die Unsicherheit der Kreatur war spürbar. Umso besser. Er war ihm überlegen, weil dieses Wesen Angst vor ihm hatte.
    „Weg von ihr!“, knurrte er. „Und lass deine Flossen bei dir.“
    Die Kreatur regte sich nicht.
    Alexanders Hände ballten sich zu harten Fäusten. Notfalls würde er dem Fischding eine davon ins Gesicht rammen. Selbst, wenn es ihn anschließend bei lebendigem Leib auffraß.
    „Ich sagte …“
    „Nein!“, fuhr Fae dazwischen. „Du hast weder ihm noch mir etwas zu befehlen. Kommt wieder runter und hört euch an, was wir zu sagen haben.“
    Ihr Blick glitt an ihm vorbei zum Bildschirm. Plötzlich verwandelte sich ihr Zorn in totale Verwirrung. Oh ja, sie hatte keine Ahnung von dem, was im Wrack vorgefallen war. Sie hatte keine Ahnung, dass Henry diese Kreatur gefilmt hatte.
    „Woher habt ihr das?“, flüsterte sie. „Was ist das?“
    Alexander warf einen Blick auf Henry und Ukulele. Beide waren zu Salzsäulen erstarrt und gafften, die Gesichter verzerrt zu einer Maske völliger Verblüffung. Von ihnen konnte er nichts erwarten.
    „Du hast keine Ahnung, was das da ist.“ Alexander deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das Wesen, das sich unsicher hin und her wand. „Das ist kein Mensch. Das ist … das ist … egal, was es ist. Es muss verschwinden.“
    „Kjell wird nicht verschwinden.“ In Faes Augen funkelte wilde Entschlossenheit. Unter all seinem Zorn und seiner Fassungslosigkeit musste Alexander erkennen, dass sie

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