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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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unfassbar lebendig und gesund aussah. Ihr Blick war hellwach, ihre Bewegungen sicher. Sie hatte sich wieder in jene Frau verwandelt, die sie vor ihrer Krankheit gewesen war.
    Lag das etwa an dieser Kreatur?
    „Ich habe ihn eingeladen“, stellte sie mit fester Stimme klar. „Er ist mein Gast. Also raus mit der Sprache. Was ist das für ein Bild?“
    „Es stammt von einem Video.“ Alexanders Blick fixierte das Ding. Es hatte also einen Namen. Fein. Das änderte rein gar nichts. Wir haben dich in der Hand, du mutierter Mistkerl! Ein Mausklick, und das Video geht an die Öffentlichkeit. Dann bist du so richtig am Arsch.
    „Wir haben es im Wrack aufgenommen. Willst du es sehen?“
    Fae löste sich von dem Ding und schwankte auf den Computer zu. Mit einem Mal schien ihre Schwäche zurückzukehren. Ihr Atem ging schwer, als sie sich auf dem Tisch abstützte und das Bild betrachtete. Plötzlich war ihm Kjell völlig gleichgültig. Er wollte seine Schwester sanft an der Schulter berühren und etwas Entschuldigendes murmeln, aber ehe er dazu kam, fuhr sie herum und stieß seinen Arm mit verblüffender Kraft beiseite.
    „Du löschst das!“, fauchte sie. „Sofort!“
    „Nein! Ich lasse nicht zu, dass er dir etwas antut. Das ist kein Mensch, Fae!“
    „Ja und?“ Ukulele erwachte aus seiner Starre, stolperte auf Kjell zu und fing an, ihn schamlos von Kopf bis Fuß zu betasten. Kannte dieser Kerl gar keine Zurückhaltung? Die Kreatur ließ es reglos über sich ergehen. „Deswegen ist er noch lange kein Monster. Ich fasse es nicht, du bist echt. Du bist ein Meerding. Ist der Schwanz wirklich echt? Warst du da unten? Hast du die beiden gerettet? Bist du wirklich … kannst du dich wirklich … oh Mann, wenn das meine Großmutter sehen könnte.“
    Alexander stieß ein abfälliges Schnaufen aus. Dieser Schwachkopf plapperte wie ein Kleinkind. Sein Blick huschte zwischen Fae und Kjell hin und her. Vielleicht hatte er doch zu viel gesoffen und gekifft. Ja, möglicherweise schlief er gerade und träumte sich diesen Quatsch nur zusammen.
    „Ihr dürft ihn nicht verraten.“ Faes Stimme bebte.
    „Schwört mir, dass ihr ihn nicht verratet. Bitte!“
    Sie schluchzte so herzzerreißend auf, dass er nicht anders konnte, als sie behutsam in die Arme zu nehmen. Einerseits, um sie zu trösten. Andererseits, um selbst einen Halt zu finden. Die Wirklichkeit driftete an ihm vorbei wie Wasser, das man nicht halten konnte.
    Genauso wie ich sie umarme, hat sie dieses Ding umarmt. Was hat es noch getan? Sie geküsst? Sie hypnotisiert?
    „Ich verstehe das alles nicht, Fae. Ist er wirklich das, was ich glaube? Ist er wirklich kein Mensch? Fae, bitte hilf mir. Ich glaube, ich knalle gerade durch.“
    „Du knallst nicht durch.“ Sie löste sich aus seiner Umarmung und hielt ihn an den Schultern fest. „Es ist wahr. Ich habe es gesehen. Er ist genau das, was ihr auf dem Video seht. Kjell ist so echt wie du und ich.“
    „Herrlich.“ Ukulele rang die Arme wie zum Gebet. „Oma, ich hoffe, dass du uns jetzt sehen kannst.“
    Alexanders Blick heftete sich auf Kjell. Er sah zu unwirklich aus, um an ihn zu glauben. Sein Schimmern hüllte einen feinen Nebel aus Licht um seine Gestalt, als genüge ein Zwinkern, um ihn verschwinden zu lassen. Immerhin – die Details wirkten überaus echt. Die feuchten Strähnen seiner Haare. Die unsicher zuckenden Finger, die den Stoff des Hemdes kneteten. Das türkise Funkeln seiner Augen, die … Moment mal.
    Alexander trat ein paar Schritte auf Kjell zu.
    „Sieh mich an!“
    Das Ding wagte es nur zaghaft, seinem Blick zu begegnen, und als es geschah, entkam Alexander ein verblüfftes Keuchen. Tatsächlich! Das Türkis der Iris überzog fast den gesamten Augapfel. Die im Dämmerlicht geweiteten Pupillen waren umringt von silbernen Reflexen, die Kjells ohnehin unmenschliche Augen noch fremdartiger aussehen ließen. Alexander fröstelte. Er spürte einen Sog, der von diesen türkissilbernen Tiefen ausging. Eine Bestätigung seiner Befürchtung. Dieses Ding war nicht so harmlos, wie es vorgab zu sein. Als er sich von Kjell abwandte, bereitete ihm diese Bewegung viel zu viel Mühe. Er fühlte sich benommen und entkräftet. Als könnte dieses Wesen seine Lebenskraft allein durch einen Blick trinken. Dennoch sah er Kjell noch einmal an. Fest und unnachgiebig. Dieses Ding sollte sehen, dass er nicht willensschwach war.
    „Ich bringe dich um, wenn du meiner Schwester wehtust. Hast du gehört? Ich lasse nicht zu,

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