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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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fiel ihr Blick auf zwei Frauen in grober, zweckmäßiger Wollkleidung, die vor dem Karren eines Obstverkäufers standen. Die Stimme der einen passte in Tonhöhe und Rhythmus zu dem eben Gehörten, auch wenn Kamala die Worte jetzt kaum noch verstehen konnte. Vorsichtig und möglichst unauffällig schob sie sich näher heran. Die Macht kann dich unsichtbar machen , mahnte die innere Stimme. Setze sie doch ein! Als sie näher kam, spitzte sie die Ohren, um das Gespräch der beiden von all den anderen Geräuschen auf dem Markt zu trennen.
    »Die Ärzte können ihr nicht helfen«, sagte die eine Frau. Ihr Gesicht war bleich und verhärmt, der Kummer hatte tiefe Furchen in ihre Haut gegraben. »Aber sie lassen sich gut dafür bezahlen, dass sie so tun, als würden sie es versuchen.«
    »Wahrscheinlich spritzen sie sich die Tränke selbst aus dem Arsch«, murmelte die andere, »sie wirken jedenfalls nicht.«
    »Von den letzten ist sie eher noch kränker geworden.«
    »Hast du dich schon nach Hexen erkundigt?«
    Der tiefe Seufzer war so laut, dass ihn sogar Kamala hörte. »Sie wollen alle mehr Geld, als wir haben. Lebenskraft ist teuer, sagen sie. Und wenn es wirklich die Schwundsucht ist, sind sie doch auch machtlos, oder?«
    Kamala schlug das Herz bis zum Hals. War es möglich, dass es um ihren Konjunkten ging? Die Vernunft sagte ihr, wie unwahrscheinlich das wäre, andererseits gab es nicht unbegrenzt viele Magister. Ausgeschlossen war es nicht.
    Wie mochte es sein, dem Menschen, dem sie das Athra stahl, in die Augen zu sehen, mit ihrer Kraftquelle einen Namen, ein Gesicht zu verbinden? Ein seltsam erregender Gedanke. Aethanus hatte sie gewarnt, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen, allerdings hatte er oft vor Dingen gewarnt, die zwar über seine Kräfte gingen, aber nicht zwangsläufig auch über die ihren. Und wenn es sich bei dem Mädchen nicht um ihren eigenen Konjunkten handelte, dann könnte sie auf diesem Weg der Macht eines anderen Magisters auf die Spur kommen. Einer solchen Möglichkeit musste man doch nachgehen.
    Also holte sie tief Luft, ging auf die beiden Frauen zu, wartete, bis diese auf sie aufmerksam wurden, und sprach sie an, wobei sie sich bemühte, die Stimme eines Jungen nachzuahmen. »Verzeiht«, sagte sie, »ich habe euer Gespräch belauscht … ihr sprecht von einer Kranken? Vielleicht kann ich helfen.«
    Die beiden Frauen musterten sie mit deutlichem Misstrauen von Kopf bis Fuß. Von der staubigen Mütze, unter der sich ihr Haar verbarg, bis zu ihrem abgetragenen, vielfach geflickten Hemd bot sie den Anblick eines geborenen Pechvogels. Wie sollte ihnen so jemand helfen können?
    »Du handelst mit Arzneien, Junge?«, fragte endlich die eine.
    »Nein.«
    Die andere runzelte die Stirn. »Was dann? Hexerei?« Ihr Blick verriet deutlich ihre Zweifel; wenn jemand über die Macht verfügte, brauchte er doch kein so armseliges Leben zu führen.
    »Ich habe das Zweite Gesicht«, sagte Kamala. »Ich erkenne eine Krankheit und kann sie manchmal auch benennen.« So weit sprach sie die reine Wahrheit. Diese einfache Gabe hatte sie schon besessen, bevor sie zu Aethanus gekommen war. »Manchmal hilft das bereits. Manchmal gelingt mir auch noch mehr.«
    Die Frauen sahen sich an. Kamala brauchte keine Magie, um in ihre Köpfe zu sehen. Die eine dachte: Was für ein Wahnsinn! Wer ist dieser Junge? Kennst du ihn? Die andere: Sonst hat alles versagt. Was haben wir zu verlieren?
    »Und die Bezahlung?« Die Schärfe in der Stimme der zweiten Frau war unüberhörbar.
    Kamala zuckte die Achseln, wie es nach ihren Beobachtungen ein junger Mann getan hätte. Dabei verrutschten die Bänder unter ihrem Hemd und drohten sich zu lösen. »Wegzehrung für einen Reisenden, soviel du erübrigen kannst. Und vielleicht ein Bett für die Nacht. Das Zweite Gesicht ist ein Geschenk der Götter, ich verlange dafür keinen Lohn.« Sie bemühte sich um einen gleichgültigen Ton, als kümmere sie es nicht, ob ihr Angebot angenommen würde, dabei klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Die Frauen würden wohl keinem Fremden trauen, der allzu sehr auf einen Besuch bei der Kranken drängte.
    Wieder sahen sich die beiden Frauen an. Die Zweifel in den Augen der einen waren nicht geringer geworden, doch bei ihrer trauernden Freundin war ein anderes Gefühl noch stärker: die Verzweiflung. Was habe ich zu verlieren? , sagte ihr Blick. Er kann nichts mehr verderben.
    Sie wandte sich schließlich an Kamala. »Wie heißt du, Junge?«
    »Kovan.«

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