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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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    Es war eine tödliche Kränkung. Dass sie in Wirklichkeit keine Hexe war, machte alles nur noch schlimmer. Wie lange wollte er mit ihr Katz und Maus spielen? Wollte er sie zwingen, immer mehr von ihrer Lebenskraft zu verbrauchen, bis der Vorrat erschöpft war und sie zu seinen Füßen ihre hochfahrende Seele aushauchte? Dieser Augenblick würde niemals kommen, das wusste er nur noch nicht, aber dadurch wurde ihr das Spiel noch mehr zuwider.
    Ich bin keine Maus , dachte sie. Und jetzt ist es genug.
    Ihr Zorn brannte lichterloh, und sie gab ihn mit all seiner Hitze frei. Nicht in blinder Verzweiflung, voller Angst vor der eigenen Macht, wie damals im »Viertel«. Diesmal nahm sie seinen Mannesstolz ins Visier und zielte sorgfältig. Er wollte ihr zeigen, wer der Herr war? Schön, dann sollte er erleben, wie Vergewaltigung sich anfühlte.
    Vielleicht hatte er nicht erwartet, dass sie zurückschlagen würde, oder die Tat folgte so rasch auf den Gedanken, dass ihm keine Zeit blieb. Wie ein Rammbock durchstieß ihre Macht seine Abwehr – soweit vorhanden – und krachte in seine Hoden. Die Wucht des Schlags trieb ihn rückwärts an die Brüstung, und zunächst verhielt er sich wie jeder Mann, er rang keuchend nach Luft, suchte den Schmerz zu meistern und kämpfte den Würgereiz nieder. Du hast dir die falsche Hure für deine Spielchen ausgesucht , dachte Kamala und zerschmetterte die Brüstung hinter ihm. Steintrümmer prasselten auf die Straße, ihr Opfer suchte sein Gleichgewicht zu halten, aber er hatte zu sehr auf die Mauer vertraut, es war zu spät …
    Er stürzte.
    Rasch wechselte sie auf seine Brückenseite. Natürlich konnte sich jeder Zauberer retten, aber wie würde er vorgehen? Vielleicht würde er sich in einen Vogel verwandeln oder in eine große Katze, die unversehrt auf den Füßen landen konnte. Oder er bremste den Sturz einfach so weit ab, dass er auch in menschlicher Gestalt keinen Schaden litt. Letztlich war alles eine Frage der Macht, und es kam auf den einzelnen Magister an, ob er seinen Konjunkten möglichst schonen wollte oder ihn rücksichtslos aussaugte, um ein spektakuläres Schauspiel zu bieten. Sie hatte kaum Zweifel, wie dieser Mann sich entscheiden würde. Aber würde er sich zuerst retten, um sich dann in irgendeiner Form an ihr zu rächen, oder würde er beides elegant in einem einzigen Manöver zusammenfassen, in der Hoffnung, sie sähe den Angriff nicht kommen? Die Antwort war nicht unwichtig.
    Sie sah ihn fallen und machte sich darauf gefasst, sich noch einmal verteidigen zu müssen.
    Und dann schlug er auf dem Boden auf, dass es zwischen den Türmen widerhallte. Es klang, als schlüge man einen Mann mit einer Eisenstange auf den Kopf, nur zehnmal lauter und hundertmal tödlicher. Der Schock durchlief sie wie eine Welle, und die Angst krampfte ihren Magen zu einem eisigen Klumpen zusammen.
    Er bewegte sich nicht.
    Sie wartete.
    Er bewegte sich immer noch nicht.
    Jetzt näherten sich Stimmen von unten. Strebten der Stelle zu, von der das grässliche Geräusch ausgegangen war.
    Steh auf , dachte sie verzweifelt. Schlag zurück!
    Der Magister tat weder das eine noch das andere.
    Kamala schärfte mit einer Spur von Macht ihre Sinne und beugte sich über die Brüstung, um ihn genauer zu betrachten. Im Schatten der Türme war er schwer zu erkennen, aber sie hatte den Eindruck, als sei das magische Tiefschwarz seiner Gewänder einer natürlicheren Farbe gewichen. Seine Brust hob und senkte sich nicht, und sie spürte auch keinen Herzschlag. Und sein Hals stand in einem ganz und gar falschen Winkel. In dieser Stellung lag kein lebender Mensch.
    Vor Angst schlotternd tastete sie sich rückwärts bis zur nächsten Wand und lehnte sich dagegen. Der Sturz hätte ihn nicht töten dürfen. Kein Magister starb durch einen Sturz. Ein Magister hatte den Tod nur dann zu fürchten, wenn er so schnell kam, dass er nichts mehr unternehmen konnte, und das war bei einem Sturz nicht der Fall. Ein Sturz war ein langes, gemächliches Ende, das reichlich Gelegenheit bot, sich mit Magie zu retten …
    Es sei denn, die Macht wäre versiegt , dachte sie.
    Es sei denn, er wäre in die Translatio gefallen.
    Es sei denn, er hätte nicht rechtzeitig einen neuen Konjunkten gefunden.
    Jetzt scharten sich unten Männer um den Körper. Stimmen wurden laut, sie hörte es wie aus weiter Ferne, verstand aber kein Wort, als sprächen sie in einer Sprache, die sie nie gelernt hatte.
    Sie hatte einen Magister

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