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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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zufallen und ging ein paar Schritte in der frischen Nachtluft. Nur an den beiden Enden des Steges brannten Fackeln, dazwischen tanzten azurblaue Schatten. In der Mitte angelangt, lehnte sie sich aufatmend gegen die Brüstung.
    Ihre Seele war müde. Sie war es leid, sich von fremden Männern die Hand und von fremden Frauen die Wange küssen zu lassen, wie man es hier von ihr erwartete. Sie hatte sich geschworen, nie wieder einem Fremden zu gestatten, sie zu berühren, und nun hatte sie dies gleich Dutzenden von Fremden erlaubt. Sie hatte über Scherze gelächelt, die sie nicht komisch fand, hatte Schmuck bewundert, der ihr nicht gefiel, und hatte die anzüglichen Bemerkungen von Männern erduldet, bei denen der Verstand hinter dem Hosenlatz saß. Und all das unter den Augen der Magister, die solche Gesellschaftsspielchen verachteten und sich ihre Unabhängigkeit bewahrten. Wie gerne würde sie zu ihnen gehören. Nein … sie gehörte ja zu ihnen. Und konnte es kaum erwarten, ihnen das auch mitzuteilen.
    Wähle den Zeitpunkt mit Sorgfalt , hatte Aethanus sie beschworen. Magister sind Gefangene ihrer Gewohnheiten und misstrauen Veränderungen mehr als jeder Moratus. Sie werden eine Frau nur mit größten Bedenken in ihre Reihen aufnehmen. Offenbare dich keinem von ihnen, solange du nicht sicher sein kannst, ob du willkommen bist. Vergiss nicht, wenn sie dich nicht als Magister anerkennen, bist du auch nicht durch das Magistergesetz geschützt.
    Aber wie kann ich jemals sicher sein? , dachte sie in jäher Verzweiflung. Für einen kurzen Moment wünschte sie sich zu Aethanus in den Wald zurück. Dort hatte sie wenigstens die Spielregeln verstanden.
    »Ravis Hexe.« Sie schrak zusammen; sie hatte nicht gehört, wie die Turmtür geöffnet wurde. »Bezahlt er dich eigentlich in barer Münze für die Lebenskraft, die du ihm opferst? Oder erkauft man sich heutzutage den Tod eher mit Liebe?«
    Eine scharfe Erwiderung drängte ihr auf die Lippen, sie wandte sich um, wollte den Pfeil abschießen … und hielt inne. Ihr Herzschlag stockte, und die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    Der Magister mit der Narbe!
    Er trat auf die Brücke. Die schwarze Robe wogte bei jedem Schritt mit unnatürlichen, seltsam sinnlichen Bewegungen um seine Beine. Jedes Flattern kostete irgendeinen Moratus einen Augenblick seines Lebens, dachte sie. Würde auch sie eines Tages so weit kommen, dass sie bereit war, ihrem Konjunkten für eine so sinnlose Marotte etwas von seiner Lebenszeit zu rauben?
    Der Schein der Fackeln spielte über die Narbe in seinem Gesicht und ließ sie bläulich aufleuchten, als wäre sie noch ganz frisch. »Du hast mir nicht geantwortet, Kind.«
    Die Empörung trieb ihr das Blut in die Wangen, aber es gelang ihr, ihren Zorn im Zaum zu halten. »Ihr glaubt zu wissen, was ich bin. Also sucht Euch die Antwort selbst aus.«
    In seinen Augen blitzte es zornig auf; er war offensichtlich nicht gewöhnt, dass eine einfache Hexe ihm widersprach. »Da drin hattest du noch bessere Manieren.«
    »Da drin waren die Männer auch noch höflicher.«
    »Morati-Männer mögen dich umschwänzeln. Magister beobachten stumm. Wessen Urteil hat mehr Gewicht?«
    Ein schwaches Lächeln zuckte um ihre Lippen. »Vielleicht bin ich nicht hier, um mich beurteilen zu lassen.«
    Seine Stimme wurde scharf. »Vielleicht hast das nicht du zu bestimmen.«
    Er trat näher und streckte die Hand nach ihr aus. Ihr Lächeln erlosch, sie trat empört zurück. Ich habe dir nicht erlaubt, mich anzufassen.
    Die Miene des Magisters verdüsterte sich. »Angst?«
    Schlicht und ebenso kalt sagte sie: »Nein.«
    Wieder wollte er nach ihr greifen. Als sie sich diesmal zu entziehen suchte, legte sich seine Macht um sie und hielt sie fest. Seine Hand strich nur kurz und wie zum Hohn über ihre Wange … dann hatte sie ihre eigene Macht beschworen, durchbrach die magische Fesselung und wich noch weiter zurück. Dabei stolperte sie über ihre Schleppe. Ihr Herz schlug so laut, dass sie es hören konnte. Hörte er es auch?
    »Lasst das«, hauchte sie.
    »Was denn?« Die schwarzen Augen glitzerten im Schein der Fackeln. »Darf ich dich nicht berühren wie ein Mann – so wie Ravi es tut? Aber daran solltest du doch gewöhnt sein! Wo ist denn der große Unterschied zwischen Hurerei und Hexerei? Man verkauft vielleicht nicht den Körper, sondern die Seele, aber ein Geschäft ist das eine wie das andere.«
    Zuerst wollte sie entrüstet widersprechen. Doch dann setzte ihr Verstand sich

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