Die Seelenjägerin
Jahrhunderte oft genug an diesem Schwarz versucht, aber trotz aller Anstrengungen nie eine Farbe zustande gebracht, die man dem Sonnenlicht aussetzen konnte, ohne dass sie ausbleichte. Das schaffte nur die Magie.
Als Hemd und Kniehosen so dunkel waren, wie schwarzes Tuch nur sein konnte, und die Mitternachtsschwärze so tief eingedrungen war, dass nicht einmal die Mittagssonne ihr mehr etwas anhaben konnte, dachte Colivar bei sich: Und die Münze, mit der solch billige Effekte erkauft werden, ist das Leben eines Menschen. Wer mag wohl diesmal den Preis bezahlen?
Gemeinsam betraten sie die Gemächer des Prinzen.
Der junge Mann wirkte eigentlich nicht krank, sondern eher rastlos und gereizt. Anders als der König war Prinz Andovan blond, und er hatte sein gutes Aussehen eindeutig nicht von seinem Vater geerbt, der eine Hakennase und eine schmale Adlerstirn sein eigen nannte. Colivar erkannte, dass er ein kräftiger junger Bursche voller Tatendrang gewesen sein musste, bevor ihn die rätselhafte Krankheit befiel. Bildteppiche mit Jagdszenen schmückten die Wände, neben dem großen Fenster stand eine maßgefertigte Armbrust, und über dem Bett hing eingerahmt eine Sammlung von Krallen und Tierzähnen. Ein Mensch, der sich gern im Freien aufhält und sich den Wind durch das Haar wehen lässt, um irgendein armes Tier zu Tode zu hetzen, das nur in Ruhe sein Mittagsmahl verzehren wollte. Colivar sah sich den jungen Prinzen noch einmal genauer an. Dafür ist er sehr blass, auch wenn er nordisches Blut in den Adern hat.
»Ist das der Südländer?«, fragte der Prinz und strich sich eine goldene Locke aus der Stirn. Mit Gesten dieser Art ließen sich junge Mädchen betören. »Ihr habt erwähnt, dass Ihr jemanden aus dem Süden holen wolltet, aber ich weiß noch immer nicht, was Ihr Euch davon versprecht.«
Ramirus nickte leicht. »Meister Colivar ist ein besonders erfahrener Heiler, Hoheit. Euer Vater erteilte mir die Erlaubnis, ihn als Ratgeber zuzuziehen.«
»Ich könnte mir denken, dass einem von Farahs Magistern mehr daran gelegen wäre, meinen Tod zu beschleunigen, als mich davor zu bewahren.«
»Hoheit.« Colivar machte seine respektvollste Verbeugung. »Zwischen unseren Ländern herrscht nun schon seit Jahren Frieden. Ich bin ein Bote dieses Friedens.«
»Ja, sicher …« Der junge Prinz schlug das Argument weg wie eine lästige Fliege. »Ich werde mich hüten, mich in Magistergeschäfte einzumischen, aber Ihr müsst verstehen, dass es mir schwerfällt, mich Euch mit Leib und Leben anzuvertrauen. Wie Euch sicherlich bekannt ist, würden mir die meisten Eurer Landsleute lieber ein Messer in den Rücken stoßen, als mir den Puls zu messen.«
Das gilt auch für mich , dachte Colivar, aber wie Ihr schon sagt, das sind Magistergeschäfte.
»Ich habe ihm nichts von Eurem Zustand erzählt, Hoheit«, bemerkte Ramirus in überaus förmlichem Ton. »Ich wollte, dass er Euch unvoreingenommen untersucht.«
»Schon gut. Mein Vater vertraut Euch. Er versteht sich auf die Sitten und Gebräuche der Magister besser als ich, also werde ich sein Urteil respektieren. Nun denn.« Er blickte zu Colivar auf. Seine hellblauen Augen waren sehr klar, aber das Weiße war etwas blutunterlaufen, ein Zeichen von Schlaflosigkeit. »Was wollt Ihr von mir, Magister? Ich warne Euch, ich wurde bereits von den besten Ärzten beklopft und betastet; es wird Euch schwerfallen, mir etwas Neues zu bieten.«
»Zunächst nur ein paar Fragen. Ihr gestattet?«, fragte Colivar und deutete auf den Stuhl neben dem jungen Mann. Er spürte Ramirus’ wütenden Blick, als er sich setzte, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Er war nicht viele Hundert Meilen weit gereist, um vor dem Sohn des größten Feindes seines Landes wie ein Höfling herumzustehen. In Farahs Reich durfte er sich setzen, wann immer er wollte; wie käme er dazu, sich vor einem feindlichen Prinzen unterwürfiger zu zeigen als vor seinem eigenen Herrn?
»Schildert mir Eure Beschwerden«, sagte er ruhig. Und machte sich bereit, nicht nur auf die Worte des jungen Prinzen zu hören, sondern auch das Schattenspiel der Erinnerungen dahinter zu verfolgen.
Der junge Mann nickte. Sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass er die Geschichte schon viele Male erzählt hatte und es allmählich müde wurde, sie zu wiederholen. »Es begann fast auf den Tag genau vor einem Jahr. Ich war eben von einem Ausritt zurückgekehrt. Plötzlich spürte ich eine entsetzliche Schwäche … ich kann es nicht
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