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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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weg war. Vielleicht erinnerte er sich an frühere Schlachten oder malte sich künftige Kämpfe aus. Endlich sagte er: »Ich halte es für möglich, dass eine Handvoll Ikati der Jagd am Ende des Großen Krieges entkamen. Vielleicht konnten sie und ihre Abkömmlinge sich so lange verstecken, dass wir bis jetzt nichts von ihrer Existenz ahnten.«
    »Und wenn nicht?«
    Die schwarzen Augen hefteten sich auf ihn. »Dann kommen die, mit denen wir hier zu tun haben, aus dem Norden. Von jenseits der Grenzen, hinter denen sie für immer gefangen sein sollten. Und wenn dem so ist, Sula, wenn diese Barriere tatsächlich durchbrochen wurde, dann hat der Krieg bereits begonnen. Und wir müssen unter ganz anderen Bedingungen kämpfen als beim letzten Mal.«
    Er blickte über das Feld der Pfähle; Sula glaubte, ihn erschauern zu sehen. Der Anblick war so ungewohnt, dass er selbst eine Gänsehaut bekam.
    »Beim letzten Mal hatten sie keine Verbündeten«, flüsterte Colivar.

Kapitel 34
    Erst spät in der Nacht kehrte Gwynofar in ihre Gemächer zurück. Sie war müde und hoffte, das läge nur an ihrer Schwangerschaft und hätte keine schlimmeren Ursachen, zum Beispiel, dass jetzt das ganze Gebäude nach Dantons abscheulichem Magister roch und dass es ihr jedes Mal, wenn sie diesen Gestank einatmete, den Magen umdrehte. Noch vor wenigen Tagen hätte sie versucht, das alles zu leugnen und sich einzureden, der Gestank existiere nur in ihrer Einbildung … aber seit ihr Rurick gestanden hatte, dass dem nicht so war und auch andere ihn wahrnahmen, widerte er sie noch mehr an.
    Vor der Tür zu ihrem Schlafgemach blieb Merian stehen, schaute zurück und lauschte. Als sie nicht weiterging, fragte Gwynofar: »Was ist?«
    »Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört. Es wäre doch seltsam, wenn so spät in der Nacht noch jemand käme.«
    Gwynofar konnte sich nicht vorstellen, dass jemand zu so später Stunde auf dem Weg zu ihren Gemächern wäre, aber sie wusste aus Erfahrung, dass ihre Zofe keine Ruhe fände, bis sie sich selbst davon überzeugt hätte. »Geh nur«, sagte sie. »Ich warte auf dich.«
    Sie nahm ihr die Lampe aus den Händen, hörte sich die üblichen Entschuldigungen an, eine Dienerin sollte eigentlich nicht weglaufen, sondern an der Seite ihrer Herrin bleiben, und sah Merian lächelnd nach, als sie endlich den Korridor zurückging. Wehe dem Mann, den sie für schuldig hielt, die Ruhe der Königin zu stören, dachte Gwynofar.
    Mit einem Seufzer öffnete sie die schweren Türen zu ihrem Schlafgemach und trat ein. Sie stellte die Lampe neben das Bett und überlegte, ob sie auf ihre Zofe warten oder einfach selbst aus ihren Kleidern schlüpfen und sich zu Bett legen sollte. Nein, damit würde sie Merian noch mehr verstören, und sie müsste ihr zehnmal versichern, sie hätte ihre Pflichten nicht vernachlässigt, indem sie ihre Königin beim Auskleiden allein ließ. Mit einem weiteren tiefen Seufzer beschloss Gwynofar, doch zu warten, und begnügte sich damit, sich die langen Nadeln aus dem Haar zu ziehen. Sie wandte sich dem Bett zu …
    … und taumelte mit einem leisen Aufschrei zurück, stieß die Anrichte um und hätte fast auch noch die Lampe runtergeworfen.
    Auf dem Bett lag etwas. Es war klein und regte sich nicht, aber es sonderte eine dunkle Flüssigkeit ab, die auf der Decke eine Pfütze bildete.
    Gwynofar lehnte sich Halt suchend an die Wand und nahm die Lampe wieder auf. Ihre Hand zitterte, und die Flamme warf tanzende Schatten über die Wände. Langsam näherte sie sich dem Bett und hielt die Lampe so hoch, dass das Licht genau auf das Ding fiel.
    Es war eine Brieftaube.
    Ihre Brieftaube.
    Jemand hatte ihr die Kehle aufgerissen, und jetzt tropfte das letzte Blut aus der Wunde und färbte die Decke rot. Das winzige Lederröhrchen hing immer noch an ihrem Bein, aber jemand hatte es geöffnet, und die Nachricht war nicht mehr darin. Das Fleisch war noch warm, stellte sie mit zitternden Fingern fest, das Blut noch nicht geronnen … was bedeutete, dass die Taube eben erst getötet worden war. Vielleicht während sie und Merian im Korridor gestanden hatten.
    Entsetzt starrte sie den Vogel an. Sie wollte schreien, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
    »Euer Vogel, nicht wahr?«
    Die Stimme kam von hinten. Sie fuhr herum. Der Sprecher stand so dicht vor ihr, dass sie fast auf das Bett fiel, als sie vor ihm zurückwich.
    Kostas.
    »Merian!«, schrie sie. Oder wollte sie schreien. Doch obwohl sie alles tat, was dazu nötig

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