Die Seelenkriegerin - 3
und Zweifeln gequält und von der Hexenkönigin selbst auf die Probe gestellt wurde, während zugleich die Führer seiner eigenen Kirche darüber debattierten, wie er sich am besten für ihre politischen Ziele einspannen ließe.
Und ganz zuletzt werden sie von der großen Schlacht singen, die noch bevorstand und die über das Schicksal des Zweiten Königtums – und der ganzen Menschheit – entscheiden sollte. Und jeder, der ihre Lieder hört, wird sich fragen, wie ein Prinz, der zuerst zum Mönch und dann zum König wurde, die Welt retten sollte, wenn ausgerechnet der Gott, den er anbetete, womöglich bereits von allem Anbeginn nach deren Zerstörung getrachtet hatte.
Prolog
Auf dem Schlachtfeld herrschte Stille.
Leichen bedeckten den blutdurchtränkten Boden, Leichen von Feinden, wie Liebende ineinander verschlungen. Tausende und Abertausende von Männern, die einst der Stolz ihres Landes gewesen waren – starke, treu ergebene Soldaten –, waren nur noch Aas. Der Tod hatte ihnen die Würde und ihrem Dasein den Sinn geraubt. Für wen sie gekämpft oder wie fest sie an ihre Sache geglaubt hatten – all das zählte nicht mehr. Die Raben, die sich über dem Schlachtfeld sammelten, kümmerten sich nicht um solche Feinheiten, die den Menschen so wichtig waren.
Colivar wanderte schweigend zwischen den Leichen dahin. Die Schlacht hatte ihm viel zu wenig Vergnügen bereitet. Damals, als das Spiel noch neu für ihn gewesen war, hatte es ihn in einen wahren Rausch versetzt, Menschen gegeneinander zu hetzen, doch inzwischen war er infolge der Gewohnheit längst abgestumpft.
Alle diese Männer waren seinetwegen oder wegen eines anderen Magisters gestorben. Natürlich hatten sie geglaubt, sie gäben ihr Leben für ihren König hin – oder für eine Sache, die ein solches Opfer wert war –, doch die Zauberer wussten es besser. Die Anführer, die zu diesem Kampf aufgerufen hatten, waren inzwischen längst tot und alle ihre Ratgeber ebenso. Vielleicht auch ihre Erben. Und es musste nicht unbedingt Colivars Gegner gewesen sein, der sie alle getötet hatte. Bei menschlichen Auseinandersetzungen dieser Größenordnung sammelten sich die Magister wie die Fliegen. Wie konnte man seine Macht eindrucksvoller unter Beweis stellen, als wenn man eine ganze Nation ins Chaos stürzte? Kaum ein Zauberer konnte dieser Versuchung widerstehen.
Der Gedanke an ein solches Kräftemessen brachte immer noch sein Blut in Wallung – dieser perverse Funke in seinem Innern würde wohl nie mehr erlöschen –, ließ aber seine menschliche Seele, dieses unerreichbare, tief verletzte Ding kalt. Ereignisse, die ihn einst in Ekstase versetzt hatten, vermochten dies nun nicht mehr. Bedeutete das, dass die alten Wunden endlich doch verheilten? War es ein Zeichen dafür, dass sein Menschsein, das der Wahnsinn vor so vielen Jahren in Stücke gerissen hatte, sich langsam wieder zusammenfügte? Oder waren die letzten Reste seiner geschundenen Seele lediglich im Begriff, an schierer Erschöpfung zugrunde zu gehen, zu verhungern in der gefühllosen Kälte seiner Existenz? Wenn ja, was würde aus ihm werden, wenn sie endgültig verschwänden? Wahrhaft unerfreuliche Fragen.
»Das muss ein Ende haben.« Die Stimme kam von hinten und riss ihn jäh aus seinen Tagträumen. »Und du weißt es.«
Die plötzliche Erkenntnis, dass ein anderer ihm so nahe war, weckte bei Colivar urtümliche Revierinstinkte. Während er sich blitzartig umdrehte, beschwor er genügend Seelenfeuer, um jeden Angriff abwehren – oder selbst angreifen zu können. So war er auf alles gefasst und konnte den Besucher in Ruhe taxieren. Dass es sich um einen Magister handelte, erkannte er auf den ersten Blick, wenn nicht an seiner Kleidung, so doch an seinem Auftreten. In Colivars Kopf johlte der Hass, primitive Gefühle schossen mit unwiderstehlicher Kraft durch seine Adern. Ein Feind! Schlag ihn in die Flucht! Und wenn er nicht fliehen will, dann reiß ihn in Stücke! Ein schwächerer Magister als Colivar hätte die Verbindung zu seinem menschlichen Ich in diesem Moment womöglich vollends verloren und sich wie ein Tier auf den Störenfried gestürzt. Es war noch nicht so lange her, seit er das letzte Mal einem Feind mit messerscharfen Zähnen die Kehle aufgerissen hatte, dass er vergessen hätte, wie sich das anfühlte. Er bemühte sich, die Flut tierischer Instinkte niederzukämpfen, hätte ihr aber zu gerne nachgegeben.
Doch endlich bekam er sich mit großer Anstrengung so weit in
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