Die Seelenkriegerin - 3
den Griff, dass er imstande war, wie ein Mensch zu sprechen. »Warum bist du gekommen?«, fragte er. Seine Stimme klang heiser und stockend, er erkannte sie kaum wieder. Nun, er führte zurzeit nicht viele Gespräche. »Was willst du?«
»Mit dir sprechen«, antwortete der Fremde ungerührt. Wenn diese Angriffslust auch in seinen Adern tobte, so merkte man es ihm nicht an. »Nichts sonst.«
Magister pflegten kaum persönliche Kontakte untereinander. Wenn sie dem Schülerdasein entwachsen waren und sich zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickelt hatten, wurden die Revierinstinkte dafür zu stark. Jeder Zauberer ging seinen eigenen Weg, und wenn sich zwei solcher Wege kreuzten, begann ein heftiger Machtkampf, der manchmal Tausende von Morati das Leben kostete. Solche Rivalitäten hatten ganze Königreiche vernichtet, wenn Ritter und Fürsten Kriege um eine Sache führten, die sie für ihre eigene hielten, während sie in Wirklichkeit von den Zauberern gesteuert wurden und lediglich deren Revierkoller auslebten. Was die Morati glaubten, spielte ohnehin keine Rolle. Selbst wenn sie die Wahrheit gekannt hätten – sie hätten sich nicht wehren können.
Aber … jetzt war ein fremder Magister hier, in seinem Herrschaftsgebiet, und Colivar hatte tatsächlich dem Drang widerstanden, ihn auf der Stelle zu vernichten. Vielleicht hatte der jüngste Kampf dem Tier in ihm so viel von seiner Kraft geraubt, dass ein zivilisierter Umgang möglich wurde. Eine interessante Überlegung. Es mochte sich lohnen, ihr weiter nachzugehen.
Er resorbierte die Macht, die er beschworen hatte. Der Fremde wusste sicherlich, wie schnell er sie wieder verfügbar machen konnte, wenn es nötig werden sollte. »Sprich«, krächzte er.
Der andere war hochgewachsen, kräftig gebaut, mit feinen Fältchen um die Augen und einer Spur von Grau an den Schläfen. Das konnte bedeuten, dass er mit dreißig oder vierzig Jahren durch die Erste Translatio gegangen und von diesem Zeitpunkt an körperlich nicht weiter gealtert war. Es konnte allerdings auch heißen, dass er ein schlaksiger Junge oder auch ein verkrüppelter Greis gewesen war, der nun seine Macht dazu verwendete, sein Aussehen anziehender zu gestalten. Es gab keine Möglichkeit, sich Gewissheit zu verschaffen. Mithilfe von Zauberei das wahre Aussehen eines Magisters – sein wahres Alter oder andere Tatsachen – herausfinden zu wollen, galt als tödliche Beleidigung.
»Du hast gehört, was ich sagte.« Die ruhige, aber bezwingende Stimme eines Menschen, der weiß, dass er nicht laut zu werden braucht, um sich Gehör zu verschaffen. »Es muss ein Ende haben.« Eine scharfe, weit ausholende Geste, die das Schlachtfeld, Colivar und die ganze Welt jenseits davon einschloss. »Das alles.«
»Du meinst … der Krieg?«
»Ich meine das, was wir dazu beitragen. Unsere Exzesse. Die mörderische Gewalt. Den Preis, den die Morati-Welt für unseren maßlosen Egoismus bezahlt.«
Es zuckte um Colivars Mundwinkel. »Wir sollten also … rücksichtsvoller sein?«
»Nein. Lediglich pragmatischer.«
»Der Morati wegen?«
Die Augen des Fremden wurden schmal. »Einst gab es überall auf der Erde mächtige Königreiche. Was ist davon geblieben? Chaos und Barbarei. Kaum eine Erinnerung an die einstige Größe und keine Energie, um sie wiederherzustellen. Ist das die Welt, in der wir leben wollen?«
»Nicht wir waren es, die die Reiche des Ersten Königtums zu Fall brachten«, gab Colivar zu bedenken.
»Nein, aber wir verhindern ihren Wiederaufbau.« Die Augen des Fremden waren klar und glänzend, blassblau wie das arktische Eis. In Colivar erwachten schwache Erinnerungen an Dinge, die er lieber vergessen wollte. »Hast du nicht den Wunsch, die mächtigen Türme abermals aufragen zu sehen? Würdest du nicht gerne in einer Welt leben wie einst die Ersten Könige? Wir selbst, die wir uns vom Tod nähren, werden solche Wunder niemals schaffen, denn wir sind zu besessen von Zerstörungswut, zu geblendet von unserem triebhaften Hass aufeinander. Und in unserem Wahn reißen wir die Morati mit in die Tiefe. Bald wird in ihnen nichts mehr übrig sein, was zu wahrer Größe fähig wäre. Und das ist ein Verlust für uns alle.«
Wie anmaßend , dachte Colivar, einen anderen Magister wie ein Schulkind zu belehren! An einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit hätte ihn diese Überheblichkeit wütend gemacht. So wütend vielleicht, dass er seine Selbstbeherrschung vergessen hätte, und dann hätte dieses
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