Die Seelenkriegerin - 3
konnte, und es hieß erst recht nicht, dass dadurch nicht die Teile des Unternehmens erschwert würden, die noch bevorstanden.
Wir müssen die Seelenfresser-Königin schnell finden , dachte Ramirus. Sonst war alle Mühe umsonst.
Salvator setzte zum Sprechen an … und machte den Mund wieder zu. Über Jezalya war ein schwarzer Schatten erschienen, und die jähe Erkenntnis, was das für ein Schatten sein musste, drängte alles andere in den Hintergrund.
Die Königin stieg auf.
Ramirus hörte, wie sich die Heiligen Hüter bereit machten, die Bogenschützen setzten ihre Pfeile auf, und mehrere Hexen und Hexer schickten sich an, sie mit Magie zu beschleunigen. Aber etwas stimmte nicht. Der Magister erkannte nicht sofort, was es war, doch dann rief er mit allem, was seine Stimme hergab: » Halt! « Salvator hatte offenbar doch ein gewisses Vertrauen zu ihm, denn er hob die Hand und hielt die Schützen zurück. Sina schloss die Augen und gab die Botschaft wohl an alle Seher an den Knotenpunkten weiter. Bisher war kein einziger Pfeil abgeschossen worden.
»Das ist kein Weibchen«, sagte Ramirus.
Es war auch kein echter Seelenfresser. Der Körper sah überzeugend aus, doch die Aura ließ jene unheimliche Macht vermissen, die das Kennzeichen der gesamten Spezies war. Und die Heiligen Hüter hatten keine Mühe, ihn anzuvisieren, was bei einem echten Ikata nicht der Fall gewesen wäre.
Die Bestie flog ziemlich tief an der Hexenbarriere entlang. Ramirus hielt den Atem an und hoffte, keinen Fehler begangen zu haben. Dann zog der Seelenfresser über die königliche Gruppe hin, und in diesem Augenblick wirbelte ein Windstoß zu Ramirus’ Füßen so viel Sand auf, dass alle geblendet waren. Doch seine magischen Sinne arbeiteten noch, und er konnte die Macht erkennen, die den Wind beschworen, und die metaphysische Signatur des Mannes, der sie ausgeschickt hatte.
Der Seelenfresser war Colivar!
Ramirus war hin- und hergerissen zwischen Ärger über dieses tollkühne Husarenstück und Angst um den Mann. Hatte er in Jezalya etwas entdeckt, was ein solches Risiko rechtfertigte? Oder hatte er einfach den Verstand verloren? Ramirus dachte zurück an den Colivar, den er in den Tagen vor dem Magistergesetz gekannt hatte. Damals war er im Verhalten und im Temperament einem wilden Tier so ähnlich gewesen, dass es auch anderen aufgefallen war. Inzwischen kannte er den Grund dafür und wusste, dass Colivar auf keinen Fall diese Gestalt annehmen sollte, denn sie würde seine Ikati-Seite zum Vorschein bringen. Wenn nun der Ikata in ihm nach seiner Befreiung nicht mehr in die Fesseln der menschlichen Existenz zurückkehren wollte?
Als die große Bestie sich von Jezalya abwandte und nach Westen strebte, schaute Ramirus auf die Stelle, wo Colivars Wind in den Boden gefahren war. Dort war eine Karte in den Sand gezeichnet. In der Mitte war Jezalya zu sehen, zu beiden Seiten die Berge. Um die Stadt zog sich ein großer Kreis, der zweifellos die Hexenbarriere darstellen sollte. Jenseits davon befanden sich ein Dutzend rätselhafter Zeichen, jedes bestand aus winzigen Abdrücken wie von einer Fingerspitze, die zu Rechtecken angeordnet waren. Sie stellten Truppenverbände dar, erkannte Ramirus. Ungemütlich nahe. Wahrscheinlich würde es bald zum Kampf kommen – und nicht bloß an einer Stelle. Dann sah er sich die Berge genauer an und entdeckte dort ähnliche Abdrücke, nur waren es dort einzelne Punkte, und sie bildeten kein erkennbares Muster.
Unter der Karte befanden sich zwei Hieroglyphen. Sie stammten aus der Schriftsprache einer Kultur, die vor so langer Zeit ausgestorben war, dass sie kaum noch jemand zu lesen verstand. Ramirus konnte es. Colivar auch.
»Was bedeutet das?«, fragte Salvator.
»Das erste Zeichen stellt eine mächtige Frau dar. Das zweite steht für den Tod.« Er sah den Großkönig an. »Ich schließe daraus, dass Siderea Aminestas nicht mehr am Leben ist.«
»Wenn das stimmt, ist es eine gute Nachricht, aber wer hat sie uns geschickt?«
Ramirus holte tief Luft. »Ich glaube, es war Colivar, Majestät.«
Es gereichte Salvator zur Ehre, dass er sich seine Überraschung kaum anmerken ließ. Vielleicht war er auch gar nicht überrascht. Vielleicht war er durch seinen Glauben darauf vorbereitet, dass sich ein Magister in einen Seelenfresser verwandeln konnte. Waren sie in seinen Augen nicht beide dem gleichen Sumpf der Verderbnis entstiegen?
Favias schaute von der Karte auf. »Wenn Siderea vor Kurzem ums Leben
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