Die Seelenkriegerin - 3
erkannt?
Noch im Flug veränderte er nun seinen Ikati-Körper, veränderte ihn etwa auf die gleiche Weise wie kurz vor dem Kampf mit Nyuku. Wenn Kamala die Männchen geradewegs von Jezalya wegführte, musste er jeden Zaubertrick einsetzen, den er kannte, um sie einzuholen. Hatte sie allerdings das Flugverhalten einer echten Königin übernommen, dann hatte sie aus den Erinnerungen, die er ihr in Coldorra zugänglich gemacht hatte, genügend Erkenntnisse gezogen, um zu begreifen, wie komplex ein Paarungsflug sein konnte. Und dann war die ganze Kolonie womöglich in eine ganz andere Richtung unterwegs oder hatte zumindest einige Zeit damit verloren, sich in verschlungenen Bahnen über den Himmel zu bewegen, bevor sie weiterzog.
Verschlungene Bahnen …
Erinnerungen aus ferner Vergangenheit schwappten über ihn hinweg, Bilder von vergessenen Flügen umdrängten ihn wie die Geister verlassener Geliebter. Die letzte Königin, die er gekannt hatte, war eine Meisterin des Tanzes gewesen und hatte ihre Freier auf einen vielfach gewundenen Pfad geführt, der Schönheit und Tod in sich vereinte. Wie sollte Colivar einem gewöhnlichen Menschen die ungeheure Erregung eines solchen Fluges begreiflich machen, eine Erregung, die so weit über einfache Begriffe wie Begehren oder Blutgier hinausging, dass man sie mit Worten nicht beschreiben konnte? Die menschliche Sprache konnte dieser überirdischen Intimität unmöglich gerecht werden.
Er hörte ein Raunen im Wind, leise Paarungsrufe aus weiter Ferne. Sein Herz schlug schneller, und Feuer schoss durch seine Adern. Dies war nicht bloß Energie aus dem Verlangen geboren, sondern ein stärkerer Antrieb. Verlangen war vergänglich. Endlich. Der Hunger, den er nun spürte, war viel mehr als das. Er hatte seit Jahrhunderten an seinem Herzen genagt, ohne jede Aussicht auf ein Nachlassen oder auf Befriedigung. Bis jetzt.
Bald sah er vor sich schwarze Schatten über den Himmel schweben. Viele der Männchen schienen in Zweikämpfe verwickelt; Kamala hatte offenbar herausgefunden, wie man sie aufeinander hetzen konnte. Dass ihr das allein mit dem Erinnerungsfetzen gelungen war, erfüllte ihn mit Bewunderung. Wie passend, dass eine solche Frau diejenige sein sollte, die die Seelenfresser-Kolonie in den Untergang trieb!
Sie selbst sah er nirgendwo, doch das belastete ihn im Moment nicht. Nicht nach ihr war er auf der Suche.
Mit wild klopfendem Herzen hielt er ein kleines Stück vor dem Gedränge an und versuchte, die Züge einzelner Ikati auszumachen. Würde er diejenigen, mit denen er im Norden zusammen gewesen war, nach so vielen Jahren überhaupt noch erkennen? Der Wind mischte alle Gerüche zu einem aufreizenden Gebräu aus Begehren und Hass, auf das sein Körper reagierte, sosehr er sich auch bemühte, seine Konzentration aufrechtzuerhalten.
Plötzlich löste sich eines der größten Männchen aus dem Schwarm. Breite Brust, die Stacheln eine halbe Spanne länger als bei den Artgenossen, die Flanken mit einem Netz von gezackten Narben aus früheren Paarungskämpfen überzogen. Colivar sah, wie es sich nach der Königin umschaute und, als es sie nicht fand, eine Herausforderung zum Paarungskampf so voller Überheblichkeit und Zorn hinausschrie, dass der ganze Himmel erzitterte.
Colivar erinnerte sich an diesen Schrei.
Sein Körper erinnerte sich.
Er antwortete.
Der Seelenfresser fuhr zu ihm herum. Erkannte er diesen Körper? Colivar hatte sein Bestes versucht, um das Aussehen seines einstigen Konjunkten zu kopieren. War ihm der Kampfruf vertraut? Zum letzten Mal hatte ihn dieser Ikata über den Eisfeldern im hohen Norden vernommen, so nahe am Heiligen Zorn, dass die Geisterschreie von dort ins Bewusstsein drangen.
In stillem Einvernehmen flogen sie höher und suchten sich eine Stelle so weit vom allgemeinen Tohuwabohu entfernt, dass man sie nicht stören würde. Die Luft wurde von Minute zu Minute dünner und kälter, und beide Schwingenpaare mussten sich doppelt so schnell bewegen, um die Höhe zu halten, doch das gehörte dazu. Ein schwächerer Ikata wäre an diesem Punkt in Panik geraten, weil er kurzatmig wurde und seine Wendigkeit eingeschränkt war, und hätte sich zurückfallen lassen. Diese beiden wichen und wankten nicht. Sie gehörten zu den stärksten Vertretern ihrer Art und hatten den Wunsch, ihren Kampf an einem Ort auszutragen, an den ihnen niemand folgen konnte.
Als sie endlich eine Höhe erreicht hatten, die ihnen zusagte, wandten sie sich einander zu und
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