Die Seelenkriegerin - 3
würde die Falle erkennen und sich von uns fernhalten.
Bevor seine Enttäuschung so übermächtig werden konnte, dass er die Beherrschung verlor, entfernte er sich ein paar Schritte, um ein wenig für sich zu sein. Das Gefühl, alles sei vergebens gewesen, drohte ihn zu erdrücken. Noch nie hat jemand bei einem Feldzug so viel erreicht , dachte er bitter, und konnte so wenig damit anfangen. Hätte er auf ein Möbelstück einschlagen oder wenigstens gegen einen größeren Stein treten können, dann hätte er seinem Ärger Luft gemacht. Aber weit und breit gab es nichts als Sand, und in den Sand zu treten hätte ihm keine Genugtuung verschafft.
Er überlegte, ob er Gwynofar nach ihrer Meinung zu alledem fragen sollte, aber was sie dachte, spielte doch letztlich gar keine Rolle, nicht wahr? Wichtiger war, den Himmel im Westen zu beobachten, ob sich dort etwas tat. Zum Beispiel könnte Kamala zurückkehren. Oder Colivar. Oder die anderen Seelenfresser. Vielleicht brach auch der Zauber zusammen, mit dem Ramirus die Stammeskrieger fernhielt, dann sollte er in dieser Richtung nach feindlichen Soldaten Ausschau halten …
Er schüttelte den Kopf. Ihm war bewusst, dass etwas nicht stimmte, aber er war nicht sicher, was es war. Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass auch alle anderen in die gleiche Richtung schauten, wie er es eben getan hatte, als fesselte im Westen des Lagers irgendetwas ihre Aufmerksamkeit. Doch so angestrengt er auch in die Ferne spähte, er konnte nichts erkennen. Wieder wollte er Gwynofar danach fragen, und wieder fiel ihm ein, dass sie nichts Wichtiges beizutragen hatte. Er sollte sich lieber auf die Dinge konzentrieren, auf die es wirklich ankam.
Hatte sie nicht noch vor einer Minute bei den anderen gestanden?
Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um sich umzudrehen. Sein Geist mochte beschlossen haben, nach Gwynofar zu suchen, doch sein Körper war damit keineswegs einverstanden. Der Widerspruch war ihm so weit bewusst, dass er seinen Bemühungen neue Kraft verlieh, obwohl zugleich eine Angst ganz anderer Art in seiner Seele Wurzeln schlug.
Sie hatte das Basislager verlassen und stand allein im Freien auf der weiten Ebene. Sie hatte sich einen Speer mitgenommen – wer auch nur einen Schritt aus dem geschützten Bereich tun wollte, musste eine Waffe zur Hand haben –, aber sie hielt ihn waagerecht und hatte ihn nur lose umfasst. So war er nutzlos. Offenbar betrachtete sie etwas am Himmel. Nein. Sie betrachtete nichts. Ihr Blick war nach oben gerichtet, doch er spürte, dass sie nichts sah.
Auch er schaute nun nach oben. Ein schwarzer Schatten, der eben noch nicht da gewesen war, kam nun ins Bild, und ein abscheulich süßlicher Duft stieg ihm in die Nase. Noch bevor er Einzelheiten erkennen konnte, wusste er, was er da sah. Es konnte nichts anderes sein.
Ein Seelenfresser!
Er stieß aus dem wolkenlosen, sonnigen Himmel herab, die Füße mit den langen Klauen ausgestreckt wie ein Habicht auf der Jagd nach einer Feldmaus. Obwohl Gwynofar das Gesicht zu ihm emporwandte, spürte Salvator mit erschreckender Gewissheit, dass sie ihn gar nicht sah – jedenfalls nicht bewusst wahrnahm – und dass sie nicht fähig war, etwas zu ihrer Rettung zu unternehmen.
Er rannte über den Sand und wollte ihren Namen rufen, aber nur ein unartikulierter Verzweiflungsschrei kam über seine Lippen. Er schnappte sich im Laufen einen Speer, obwohl er bereits wusste, dass es zu spät war. Das Ding war zu nahe – es fiel zu schnell herab –, und Gwynofar war zu weit weg. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er, ein Hexer zu sein und seine eigene Lebensenergie opfern zu können, um seine Geschwindigkeit zu steigern. Aber er konnte nur beten, und so betete er.
Lass dies mein Opfer sein, nicht das ihre!
Auf den letzten Schritten verdeckten bunt schillernde Schwingen den Himmel und verwandelten ihn und den Sand in ein wildes Farbenchaos. Salvator erreichte Gwynofar genau in dem Moment, als sich die Klauen um ihren Kopf schließen wollten, und riss sie mit sich zu Boden, während er zugleich versuchte, seinen Speer in eine Verteidigungsposition zu bringen. Sie war schlaff wie eine Stoffpuppe und leistete keinen Widerstand. Er glaubte, einen Luftzug am Rücken zu spüren, als sich die mächtigen Klauen wenige Zoll über ihm schlossen. Die Ikati-Königin schrie ihren Zorn so laut hinaus, dass ihm die Ohren dröhnten. Konnten die anderen das auch hören? Oder standen sie noch unter dem Bann dieser
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