Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Loyalität. Gwynofar hatte ihren Sohn trotz seiner Bedenken überredet, sie mitkommen zu lassen; Salvator wusste noch nicht, ob die Entscheidung gut war.
Als alle an ihrem Platz waren, wandte sich Salvator an seinen königlichen Gast. »König Farah. Mit Eurer Anwesenheit erweist Ihr meinem Haus eine hohe Ehre.«
Farah ließ eine kleine Pause eintreten, bevor er das Wort ergriff. Möglicherweise beherrschte er die Sprache des Nordens nicht oder zumindest nicht fließend; in diesem Fall wurde er offensichtlich mittels eines Zaubers unterstützt. Das war unter Monarchen so üblich. Nicht üblich war es, dass der Zauber von einer Hexe und nicht vom Königlichen Magister kam. Doch dem Tempo seiner Ansprache nach zu urteilen war genau dies bei Farah der Fall. Ein Magister hätte ihm während des Sprechens das nötige Wissen ins Gehirn eingeben und seine Gedanken in die gewünschte Sprache übersetzen können, sobald er sie zu äußern wünschte. Wenn ein solcher Zauber gut ausgeführt war, war er praktisch nicht zu bemerken. Allerdings war er sehr komplex, und eine einfache Hexe oder ein Hexer konnte es sich nicht leisten, Energie in dieser Größenordnung zu vergeuden. Farahs Hexer hatte sich vermutlich mit einem externen Zauber beholfen, vielleicht mit magischen Einflüsterungen, die sich der König erst anhören musste, um sie dann zu wiederholen. Die kurze Pause vor jeder Aussage fiel jedenfalls deutlich auf.
Er respektiert meine Bitte, auf Zauberei zu verzichten , dachte Salvator, obwohl mir das womöglich gar nicht aufgefallen wäre.
Eine erfreuliche Geste.
»Eure Einladung ist ebenfalls eine hohe Ehre für mich«, antwortete Farah mit feierlichem Ernst. »Es ist lange her, seit das Großkönigtum den Wunsch bekundete, mit meinem Volk zu sprechen . Ich bin neugierig, den Grund dafür zu erfahren.«
Salvator lehnte sich zurück und bemühte sich, entspannter auszusehen, als er sich fühlte. Von diesem Treffen hing so viel ab, dass er seine Nervosität verbergen musste. »Unsere Länder liegen seit sehr langer Zeit im Krieg, König Farah. Manchmal offen, manchmal verdeckt, aber doch ohne Unterbrechung seit Jahrzehnten. Das entzieht beiden Nationen Energien, die sie auf andere Dinge verwenden könnten. Auf Dinge, die langfristig vielleicht von größerer Bedeutung sind als die Frage, wem welches Stück Land an unserer gemeinsamen Grenze gehört oder wer welchen Hafen am Tränenmeer kontrolliert.«
Farah kniff bei der Erwähnung einer gemeinsamen Grenze kurz die Augen zusammen; die unausgesprochene Botschaft war klar: Du hast leicht reden, nachdem dir Coldorra gehört. Doch sein Ton blieb zuvorkommend. »Seid Ihr denn an einem wie auch immer gearteten Friedensvertrag zwischen Anchasa und dem Großkönigtum interessiert? Es wäre ein spannendes Experiment. Ich kann nicht einschätzen, wie groß angesichts unserer gemeinsamen Geschichte die Erfolgsaussichten wären. Natürlich müsste an einem solchen Vertrag wahrscheinlich über Jahre gefeilt werden, denn es würde wohl schon Jahre dauern, bis sich unsere Vertreter allein über die Präambel einigen könnten. Wir hätten also viel Zeit, uns darüber Gedanken zu machen.«
Salvator gestattete sich ein schwaches Lächeln. »Auch ein Jahr beginnt mit einem einzigen Tag, Majestät.«
»Das ist richtig«, stimmte Farah zu. »Und deshalb höre ich mir Euren Vorschlag gerne an.« Trotz seines lässigen Tonfalls war sein Blick wach und scharf, was Salvator nicht entging. Kalter Stahl in einem Samthandschuh. »Und was sollen wir heute erörtern? Die Bedingungen für einen möglichen Friedensvertrag? Euer Bote deutete an, die Angelegenheit sei dringend. Ein Frieden ist zwar zugegebenermaßen wünschenswert, hat aber wohl kaum so große Eile. Schließlich befinden wir uns derzeit nicht im Krieg.«
Salvator schwieg zunächst. Studierte sein Gegenüber. Er wusste, welches Risiko er einging, wenn er sein Anliegen sofort vorbrachte. Normalerweise brauchten solche Verhandlungen Monate, um in Gang zu kommen. Die Vertreter beider Seiten tanzten um Randthemen herum und tasteten sich nur langsam an die wirklich wichtigen Fragen heran. Man wollte sich vergewissern, dass alle diplomatischen Rädchen geschmiert waren, bevor der Karren ins Rollen kam. Aber Salvator hatte keine Monate mehr. Er hatte nicht einmal Wochen.
»Was wisst Ihr über die Seelenfresser?«, fragte er und beugte sich dabei nach vorne über den Tisch.
Farah zuckte nicht mit der Wimper. »So viel wie jeder andere,
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