Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Handelsdelegation ist hier, Hoheit.«
Nasaan nickte. »Schickt sie herein.«
Es war selbst für Jezalya ein heißer Tag, und eigentlich hatte er wenig Lust auf Verwaltungsaufgaben. Aber der Handel war das Herzblut seiner neuen Stadt, und diese Männer hielten den Kreislauf in Gang. So griff er nach dem Becher mit zerkleinertem Eis, das seine Djira für ihn beschworen hatte – es war schon halb geschmolzen –, hielt ihn sich an den Hals, während er wartete, und genoss die Kälte des Glases auf der Haut.
Die Kaufmannsfamilien, die Jezalyas Geschäftsleben bestimmten, verhielten sich nicht offen feindselig zueinander, aber sie waren erbitterte Konkurrenten, und außerhalb der Stadt hatten sie zumeist nicht mehr gemeinsam als die Frage »Wer kommt zuerst durchs Tor?«. Innerhalb Jezalyas war das jedoch anders. Alle mächtigen Familien der Region hatten ihre Vertreter in der Stadt, und sie hatten keine Hemmungen, Nasaan ihren Rat anzubieten. Nachdem letztlich alle das gleiche Ziel verfolgten wie er selbst – Jezalyas Einfluss und Wohlstand zu mehren –, war er für solche Gespräche bisher offen gewesen, vorausgesetzt, seine Autorität wurde gebührend anerkannt.
Doch bei den früheren Treffen hatten sie einen Vertreter gewählt, der für alle Familien sprach; sie waren noch nie so wie jetzt als Gruppe zu ihm gekommen.
Als sie eintraten, sah er, dass sie zu sechst waren und jeder zu einer anderen Familie gehörte. Das überraschte ihn nicht. Die meisten Handelskarawanen, die durch Jezalya kamen, wurden von ausgedehnten Familienverbänden kontrolliert, und die Sippenführer wählten sich ihre Frauen gewöhnlich aus der eigenen Verwandtschaft, um die Erbschaftsrechte im Griff zu behalten. Das führte dazu, dass an typischen Merkmalen zu erkennen war, wer zu den einflussreicheren Kaufmannsfamilien gehörte. Nasaan hatte inzwischen oft genug mit diesen Leuten zu tun gehabt, um zu sehen, dass die sechs vor ihm die sogenannten »Großen Familien« vertraten, riesige Stammesnetzwerke, deren Älteste im Grunde den gesamten Handel innerhalb Jezalyas in Händen hielten. Dass jede dieser Sippen einen Blutsverwandten zu dem Treffen entsandt hatte, anstatt sich mit einem gemeinsamen Vertreter zu begnügen, war kein gutes Zeichen.
»Wir danken Euch, dass Ihr uns Audienz gewährt, Hoheit.« Der Sprecher war ein Mann, den Nasaan sogar recht gut kannte. Hatal et Saroch war in den Tagen vor der Eroberung einer seiner Geheimagenten in der Stadt gewesen und hatte ihm geholfen, die nötigen Gerüchte in Umlauf zu setzen, um Dervastis Ansehen zu untergraben. Inzwischen hielten sie in der Öffentlichkeit Abstand voneinander, sodass kaum jemand von der Verbindung wusste, hin und wieder ließ ihm Saroch jedoch eine wichtige Information zukommen, und hin und wieder gab Nasaan seiner Familie ein besonderes Zeichen seiner königlichen Gunst. Loyale Mittelsmänner hatte man nie genug.
»Die Herren über den Handel sind uns stets willkommen«, antwortete Nasaan. »Allerdings kommen sie nicht immer so zahlreich zu uns.«
Die Männer sahen sich an. Man konnte unschwer erkennen, dass ihnen nicht wohl war in ihrer Haut. Da Nasaan bekanntlich nichts davon hielt, bei schlechten Nachrichten den Boten zu bestrafen, machte ihn das noch misstrauischer.
»Die Großen Familien haben eine Nachricht erhalten, die für den Fürsten von Jezalya von Bedeutung sein könnte.« Bei den letzten Worten faltete Saroch die Hände vor dem Körper – das vereinbarte Zeichen, dass Nasaan größere Unannehmlichkeiten bevorstanden. Als ob ich mir das nicht schon selbst zusammengereimt hätte , dachte er spöttisch. »Und jede Familie hielt es für besser, zu diesem Treffen einen eigenen Vertreter zu entsenden.«
Als Zeugen , dachte Nasaan düster. Die einzige Rolle, die keine der Familien einem Außenseiter überlassen würde. Er lehnte sich zurück, kniff die Augen zusammen und legte seine schwieligen Kriegerfinger aneinander. »Heraus damit. Wie lautet die Nachricht?«
»Aus Bandezek werden böse Dinge gemeldet«, antwortete Saroch. »Gerüchte über den Schwarzen Schlaf machen die Runde. Allerdings wurden noch keine tatsächlichen Fälle festgestellt.«
Bandezek lag zwei Tagesritte von seiner eigenen Stadt entfernt, eine Oase, die er bereits in seine Expansionspläne einbezogen hatte … Die Stadt war bei Weitem nicht so groß oder so reich wie Jezalya – das waren nur wenige Städte –, angesichts der riesigen Wüste ringsum aber doch ein lohnendes
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