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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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ein wenig privater unterhalten können.«
    »Sie können sie nicht ganz für sich allein behalten!«, rief Robert, als Cass fortgezogen wurde. »Wir alle hoffen, sie besser kennenzulernen.«
    In einer belaubten Ecke des Hofes fanden die beiden Frauen Stühle und setzten sich dorthin. »Robert hat natürlich recht, aber er wird in einem so dozierenden Ton sich auslassen«, meinte Tess und beugte sich nah zu der jungen Frau. »Sind Sie eine Gläubige?«, erkundigte sie sich unverblümt.
    »Meinen Sie, was die Kraft von Gebeten anbelangt?«, hakte Cass nach.
    »Ich meine Gott – den Schöpfer und Erhalter des Universums.«
    »Also, ja – seitdem ich ein kleines Mädchen bin.« Cass betrachtete ihre ältliche Gefährtin. Es war nicht leicht zu glauben, dass sie tatsächlich so alt war, wie sie behauptete; die Vitalität, die sie ausstrahlte, war fast ansteckend. »Warum fragen Sie?«
    »Weil es bedeutet, dass es so viel weniger gibt, das man verlernen muss.« Sie lehnte sich zurück, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem faltigen Gesicht aus. »Ich sollte es wissen – ich war die widerwärtigste Atheistin, die Sie jemals getroffen haben. In meinen nicht erleuchteten Jahren habe ich es förmlich genossen, bei meinen gottesfürchtigen Bekannten Unruhe zu stiften. Ich hielt es für einen großartigen Spaß, Löcher in ihre Argumentationen und ihre Redekunst zu bohren, all ihre Ungereimtheiten hervorzuheben und ihre verworrenen Gedanken lächerlich zu machen. Obwohl … So viele religiöse Dogmen dienen ausschließlich dazu, die Macht zu stützen und die Massen zu benebeln, und so verdienen sie wirklich, dass man verhöhnt. Ich meine, man hört diese sogenannten Erweckungsprediger, die sich über Himmel und Hölle und was nicht alles auslassen – was weiß denn auch nur einer von ihnen wirklich über diese Dinge? Sie behaupten einfach zu wissen, was Gott will und was er fordert … Quatsch!« Sie beugte sich vor und tippte Cass auf den Arm. »Jeder, der Ihnen erzählt, er würde Gottes Absichten kennen, verkauft irgendetwas. Sie können Gift darauf nehmen.«
    Sie schaute auf den ein wenig fassungslosen Gesichtsausdruck von Cass und lehnte sich erneut zurück. »Ach du liebes bisschen – wie es scheint, habe ich mich von diesem Thema ziemlich mitreißen lassen. Dabei ist es überhaupt nicht das, worüber ich sprechen wollte. Ich wollte über Ihr Aufgabengebiet sprechen. Hat Brendan es bisher schon erwähnt?«
    »Er hat nichts gesagt über irgendein Aufgabengebiet.«
    »Nein? Nun, zu meiner Zeit wurde von allen neuen Mitgliedern verlangt, ein zielgerichtetes Projekt zu übernehmen – etwas von erheblichem Wert für die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Etwas, das von uns gemacht werden muss.«
    »Er hat nichts dergleichen erwähnt. Falls doch, habe ich es nicht bemerkt.«
    »Vielleicht ist es auf der Strecke geblieben«, mutmaßte die alte Frau und seufzte. »Es ist schon sehr, sehr lange her, seit wir zuletzt ein neues Mitglied bekommen haben, verstehen Sie. Vielleicht machen wir das nicht mehr länger.« Sie ließ ihren Blick durch den Hof gleiten. »Ich frage mich, was aus Cosimo geworden ist? Ich möchte Sie mit ihm bekannt machen. Meines Wissens hat er niemals die Einführung eines neuen Mitglieds versäumt – oder auch nur ein Festessen. Er ist für gewöhnlich unsere Stimmungskanone …« Ihre Stimme verstummte.
    »Cosimo Livingstone?«, fragte Cass.
    »Sie kennen ihn?«
    »Brendan hat mir von ihm erzählt.«
    »Nun, ich möchte wirklich sehr, dass Sie ihn kennenlernen. Und ich würde mich freuen, Sie persönlich vorzustellen.«
    »Sind Sie sehr gute Freunde?«
    »Freunde, ja, und noch etwas mehr.« Ihre Stimme bekam einen wehmütigen Tonfall. »Cosimo und ich waren einst verlobt und wollten heiraten.«
    Cass hob ihre Augenbrauen.
    »O, es hätte niemals funktioniert«, fuhr Tess schnell fort. »Wir hatten gerade eine ganz besonders grauenvolle Reise gemeinsam überstanden – die Erforschung eines der Leys auf Cosimos Teilstück der Karte. Wir waren uns sehr nahegekommen: Extreme Gefahr kann dazu führen. Nehmen Sie das als einen guten Rat an.« Ihre Stimme zitterte ein wenig und bekam abermals einen wehmütigen Unterton. »Der gute Cosimo und ich hatten all diese großartigen Pläne gemacht, und dann …«
    Sie verstummte, und das Schweigen zog sich in die Länge.
    »Was ist passiert?«, fragte Cass schließlich.
    »Wir kamen zurück!« Tess lachte, und ihre gute Laune kehrte zurück. »Das ist nur allzu

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