Die Seelenquelle
Baumstamm war gigantisch – ein halbes Dutzend Leute oder noch mehr, die sich an den Händen festhalten, würden erforderlich sein, um einen Menschenkreis um die Eibe herum zu bilden.
»Nun«, sagte Kit unglücklich, »es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass dies früher nicht hier war.« Er schüttelte den Kopf. »Schaut euch nur dieses Ding an.« Er zeigte auf die großen, sich ausbreitenden Äste, die dunkel waren im Zwielicht des Waldes. »Das ist mindestens tausend Jahre alt!«
Mina und Bruder Lazarus starrten auf den Baum und den blauen Fleck Himmel darüber. Das Licht verschwand rasch.
»Dies ist der Ort, sind Sie sicher?«, fragte der Mönch auf Deutsch.
Mina übersetzte die Frage und begann, die Strecke rund um die gewaltige Eibe abzuschreiten.
»Ja … Ich meine, ich glaube es«, antwortete Kit. Er blickte um sich und starrte auf den fast perfekten Kreis, den die Lichtung bildete. »Das ist er. Das ist der Platz, wo das Knochenhaus stand. Doch offenkundig sind wir weit weg vom Kurs. Es sieht so aus, als ob wir zurückgehen und von vorn anfangen müssen.«
»Vielleicht nicht«, entgegnete Mina.
»Was meinst du damit?«
»Überprüf deine Ley-Lampe, Kit.«
Er zog das Gerät aus seiner Tasche und sah, dass es ein intensives blaues Licht ausstrahlte. »Ich wusste es! Der Ley hier ist in Ordnung. Das hat sich nicht verändert.«
Mina beendete ihren Rundgang um den Baum und blieb mit ihrer Ley-Lampe in der Hand neben Kit stehen. Sie hielten ihre zwei Vorrichtungen nebeneinander; das blaue Licht der beiden Geräte vereinigte sich, und ein glänzendes Leuchten umstrahlte ihre Gesichter.
»Sehr gut«, murmelte Bruder Lazarus und stellte sich direkt neben seinen beiden Gefährten hin.
»Ein sehr gutes Zeichen«, pflichtete Mina ihm bei. »Der Ley ist hier – und seine Aktivität ist hoch.«
Die elektromagnetische Kraft des Ley baute sich weiter auf und intensivierte sich in einem Ausmaß, wie sie es niemals zuvor mit eigenen Augen beobachtet hatten. Die indigofarbenen Lichter pulsierten mit einer ständig zunehmenden Stärke; und der Ring aus gelben Lichtern auf Wilhelminas Ley-Lampe blitzte auf und blinkte anschließend in unregelmäßigen Abständen grell auf, als ob er den heftigen Wellen von Energie nachspürte, die um sie herum wirbelten.
»Autsch!«, schrie Mina auf. Sie ließ ihre Lampe fallen und umklammerte die Hand, mit der sie das Gerät gehalten hatte.
»Was ist passiert?«, fragte Kit. »Wa- … Ach du Schande!« Er ließ ebenfalls seine Vorrichtung fallen. Die Hitze war urplötzlich so stark angestiegen, dass er sie nicht mehr hatte halten können.
Mina streckte ihre Hand aus. Die Innenseite war rot, wo sie sich verbrannt hatte. »Das ist noch nie zuvor passiert.«
Noch während sie sprach, entstand ein schwaches zischendes Geräusch. Weiße Rauchfäden strömten aus den kleinen Löchern der Messingschale von Minas Ley-Lampe. Dann folgte ein leiser Knall; es hörte sich fast so an, als würde der Korken aus einer Flasche gezogen. Augenblicklich wurde die Lampe dunkel.
Eine Sekunde später zischte auch Kits Lampe auf und erstarb. In der Luft schwebte der unverkennbare Geruch von Ozon.
»Ich schätze, das war’s«, sagte Kit.
Bruder Lazarus nahm Minas Hand und untersuchte die Verbrennungen.
»Wir wissen, der Ley ist hier; daran besteht kein Zweifel«, stellte Kit fest. Eingehend betrachtete er den gewaltigen Stamm der Eibe, der so hart wie Eisen und so groß wie ein Haus war – und der genau in der Mitte des Ley wuchs. »Das Einzige, was wir jetzt noch herausfinden müssen, ist, was wir mit diesem monströs großen Baum anstellen sollen.«
NACHWORT
E s scheint, dass menschliche Wesen zum Reisen geschaffen sind. Und on the road – auf den Wegen und Straßen – passiert für gewöhnlich eine ganze Menge. Die meisten antiken Kulturen verehrten Straßen und Wege als heilige Stätten – die Kelten zum Beispiel erachteten die Verbindungsstelle zweier sich kreuzender Straßen als einen heiligen Ort. Die Straße ist sicherlich eine Metapher für die Veränderung und Transformation: Der Ursprung dafür liegt vielleicht in Geschichten wie die Odyssee von Homer – und moderne Ausdrucksformen finden sich in Büchern wie On the Road von Jack Kerouac.
In Hollywood wird die Straße – the road – in einem eigenen Genre verehrt: dem Roadmovie. Von den ausgelassenen Filmen mit Bob Hope und Bing Crosby, wie etwa The Road to Rio , über Thelma und Louise bis hin sogar zu Absurditäten wie
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