Die Seelenquelle
du jetzt sprechen.«
Im Unterschied zu seinem Sohn verstand Arthur diese Worte. Er streckte seinen Arm aus, tastete nach seinem Sohn und ergriff dessen Hand ganz fest. »Ich habe keine Angst«, flüsterte er.
»Sie werden dafür sorgen, dass es dir besser geht«, behauptete Benedict, und mit beiden Händen umklammerte er die Hand seines Vaters. »Hörst du? Sie werden dich wieder gesund machen.«
»Ich liebe dich, Sohn«, erwiderte Arthur. »Kümmere dich um deine Mutter. Sag ihr, dass es … dass es mir leid tut.«
Anen trat näher, nahm Benedict am Arm und zog ihn fort. »Wir müssen sofort anfangen, wenn wir ihn retten sollen.«
Einer der älteren Priester klatschte in die Hände, und vier Ärzte erschienen. Sie trugen weiße Leinengewänder und kleine weiße Kappen, und jeder brachte ein Tablett mit Instrumenten, Tiegeln und Phiolen mit. Tempeldiener mit Gestellen, auf denen die Tabletts abgesetzt werden konnten, hasteten hinter ihnen her. Andere Diener brachten Fackeln in hohen Ständern, die sie um das Bett herum abstellten. Noch andere erschienen, die Wasserbecken und Stapel gefalteter Tücher trugen.
Sie fingen sogleich mit der Arbeit an. Während einer der Priesterärzte die linke Seite von Arthurs Kopf rasierte, verabreichte ein anderer dem Patienten eine Kräutertinktur, in die Opium gemischt war, und ein dritter entkleidete ihn. Sein Hemd konnte nur umständlich entfernt werden: Der Priester schnitt mit einer Schere das Kleidungsstück in Streifen, die er dann fortzog und so einen Oberkörper freilegte, der mit leuchtend blauen Tattoos geschmückt war. Sie alle waren von derselben Hand akkurat angefertigt worden, und jedes stellte ein unverständliches Symbol dar. Als die letzten Fetzen des Hemds entfernt waren, breitete der Priester Tücher unter dem Kopf und den Schultern von Arthur aus und wusch dessen Hals, Schultern und Brust. Während all dies geschah, bereitete der vierte Priester die Instrumente vor, indem er sie in einem speziellen Gemisch aus destilliertem Essig spülte.
Als alles fertig und in Ordnung war, gab Anen einem der anwesenden Diener ein Zeichen. Der Mann wandte sich Benedict zu, verbeugte sich tief und nahm ihn bei der Hand. Er führte ihn zu einer entfernten Ecke des Raums, wo der junge Mann zusehen konnte, jedoch nicht stören würde. Auf Anens Nicken hin begann dann die Operation.
Der Oberste der Priesterärzte kniete sich neben dem Bett nieder und nahm ein kleines Messer mit einer Obsidianklinge. Er schnalzte mit den Fingern vor Arthurs Augen, dann klopfte er sanft auf die Wange – beides erzeugte keinerlei Reaktion. Anschließend setzte er mit raschen, entschlossenen Bewegungen das Messer ein: Er schnitt in die Kopfhaut rund um die bunt gefärbte Schwellung oberhalb des linken Auges – einmal, zweimal … und erneut. Aus den tiefen Schnitten strömte ungehindert das Blut. Augenblicklich kamen feuchte Tücher zum Einsatz, die in irgendeiner adstringierenden Lösung getränkt worden waren, denn der Blutstrom hörte beinahe sofort auf. Der Arzt machte einen weiteren raschen Schnitt und klappte dann ein Stück Kopfhaut auf: Eine schwarze Masse aus geronnenem Blut und Gewebe kam zum Vorschein – und darunter das weiße Stirnbein. Ein widerlich süßer Geruch wehte in den Raum hinein.
Während der erste Arzt das zurückgeklappte Stück Kopfhaut mit einem kleinen Bronzestift festhielt, trat ein zweiter mit einer langen goldenen Pinzette rasch vor und begann, Klümpchen aus geronnenem Blut und totem Fleisch herauszuzupfen. Als der Bereich sauber war, wandte er sich hoch konzentriert der Aufgabe zu, mit der Pinzette winzige Knochenfragmente zu entfernen und sie in eine kleine Silberschüssel zu legen.
Anen stand daneben – die Arme hatte er vor der Brust verschränkt – und überwachte die Operation. Als der Priester alle Knochensplitter beseitigt hatte, gab Anen dem dritten Priester ein Zeichen. Der kleine, stämmige Mann mit dem glatt rasierten Kopf und runden, engelhaften Gesicht trat neben das Bett und ergriff ein Instrument aus Bronze, das Benedict an den Bohrer eines Tischlers erinnerte. Während der erste Priester weiterhin das Kopfhautstück, das er abgetrennt hatte, vorsichtig zurückgeklappt hielt, wurde der Bohrer am frisch gereinigten Knochen angesetzt.
Der vierte Priester kam hinzu, um dafür zu sorgen, dass sich der Kopf des Patienten nicht bewegte. Benedict hörte ein Geräusch, das wie das von Mühlsteinen klang, die Korn mahlten. Er war nicht mehr
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