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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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heiseren Wispern und wiederholte die Wörter. »Die Seelen- … -quelle …« Arthur seufzte und schien tiefer in sein Bett zu sinken.
    »Was? Vater, sag es mir noch mal.« Benedict starrte auf seinen Vater; eine so große Furcht erfasste ihn, dass sich seine Eingeweide zu verknoten schienen. »Was hast du gesagt?«
    Als er keine Antwort erhielt, beugte er sich noch weiter vor. »Vater, ich kann dich nicht hören.« Zaghaft legte er die Hand auf die Schulter seines Vaters und schüttelte sie sanft, um zu versuchen, ihn nur ein wenig länger wach zu halten. »Bitte, wiederhol es – was hast du gesagt?«
    »Die … Seelenquelle …« Die beiden Wörter wurden wie ein Stöhnen geäußert. Mit letzter Kraft legte Arthur die Hand auf seine Brust. Benedict bemerkte, wo die Hand zur Ruhe kam. »Ich habe … es kennzeichnen … lassen …«, keuchte er, und seine Stimme verstummte.
    Benedict starrte auf die tätowierten Symbole auf der Brust seines Vaters: das vertraute Durcheinander von merkwürdigen Zeichen, deren Bedeutungen – es handelte sich um Anweisungen zur Navigation durch die Welten – er gerade erst angefangen hatte zu erlernen. Erneut schüttelte er die Schulter seines Vaters.
    Es gab keine Reaktion.
    »Vater!«, schrie Benedict, der hektisch wurde. »Bitte! Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    Dann wandte er sich vom Bett ab, rannte zur Eingangstür und rief laut um Hilfe. Der Priester, dem die Aufgabe zugeteilt war, neben dem Bett zu wachen, tauchte fast augenblicklich wieder auf. Er eilte über den Hof, verbeugte sich hastig vor Benedict und drängte sich an ihm vorbei. Dann lief er zum Bett, kniete sich daneben hin und legte seine Hand auf Arthurs Brust. Der Priester hielt sein Ohr ganz nah über Mund und Nase seines Patienten und hielt inne, als ob er lauschen würde.
    »Er hat gerade –«, begann Benedict, doch er verstummte augenblicklich, da der Arzt seine Hand hob und ihm bedeutete zu schweigen.
    Anschließend legte der Priester seine Fingerspitzen an Arthurs Hals und wartete kurz. Als Nächstes holte er ein kleines Rechteck aus polierter Bronze von seinem Tablett mit Instrumenten und hielt es unterhalb der Nase des Schwerverletzten.
    Benedict schlug das Herz bis zum Halse, denn er wusste, was das bedeutete. Zwar fürchtete er sich davor, was er nun sehen würde, doch er war nicht imstande, einfach wegzuschauen. Er starrte mit wachsender Besorgnis, als der Arzt das kleine Rechteck aus Bronze ihm zuwandte. Auf der polierten Oberfläche gab es nicht den geringsten Beschlag oder gar Feuchtigkeit. Sein Vater atmete nicht mehr.
    Der Arzt schüttelte den Kopf und stand auf. Dann hob er seine Handflächen bis zur Schulter hoch, beugte den Oberkörper nach vorn und begann mit leiser, monotoner Stimme zu singen.
    Benedict ließ sich rückwärts gegen die Wand fallen; seine Augen waren auf die Leiche seines Vaters geheftet. »Nein, das kann nicht sein«, murmelte er und schlug mit seiner Faust gegen die Wand. »Er hat gerade noch mit mir gesprochen. Er kann nicht t-« Der Junge weigerte sich, das Wort auszusprechen.
    Er stürzte zum Bett und warf sich auf den Leichnam seines Vaters. Er regte sich nicht, wehrte sich nicht gegen die Last. Benedict umschloss mit seinen Händen das Gesicht seines Vaters und war überrascht, als er die Wärme dort spürte. »Verlass mich nicht …« Seine Stimme brach. »Bitte … Verlass mich nicht.«
    Starke Hände ergriffen die Arme des jungen Mannes und zogen ihn fort. Als Arthurs Kopf losgelassen wurde, rollte er zur Seite.
    Benedict schüttelte die Hände des Priesters von sich und mühte sich abermals nach vorne. »Ich glaube, er ist bewusstlos«, behauptete er. »Wir sollten versuchen, ihn aufzuwecken.«
    Der Priester sagte etwas zu ihm und schüttelte den Kopf. Dann setzte er seinen Gesang fort.
    Ein lauter, mächtiger, harter Aufschlag war im Hof zu hören: Etwas war krachend gegen die Tempeltore gestoßen. Benedict drehte sich dem Geräusch zu. Ein Diener platzte ins Zimmer herein, warf einen Blick auf den betenden Priester und verschwand wieder. Benedict sank unter dem Gewicht der Trauer, die sich in ihm ausbreitete, zu Boden. Er faltete seine Hände und begann ebenfalls zu beten. Er drückte seine Augen fest zu und betete mit einer solchen Inbrunst, wie er noch nie in seinem Leben gebetet hatte.
    Das Nächste, was ihm bewusst wurde, war, dass Anen vor ihm stand. Der Priester zeigte ein düsteres Gesicht, seine dunklen Augen waren voller Trauer. Mit einer ausholenden

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